Toechter Der Suende
Flavia, die zu früh ans Licht der Welt gekommen war, etwas kleiner als Michaela Maria und wirkte auch ein wenig dunkler, doch ihre Mienen glichen sich, und jeder, der sie sah, musste sie für Schwestern halten. Nun begriff Margarete, was der Pater vorhatte, sagte aber nichts, während er seinen Sagrestano losschickte, um die beiden ausgesuchten Ammen herzubringen.
»Eine von ihnen hat ihr Kind verloren und kann daher auch den zweiten Säugling ein wenig nähren. Dieser muss seine Amme mit einem kleinen Jungen teilen. Es handelt sich bei beiden Frauen um deutsche Pilgerinnen, die froh sind, sich einer Reisegruppe in die Heimat anschließen zu können. Sie haben versprochen, so lange bei euch zu bleiben, bis die Kinder sie nicht mehr benötigen.« Pater Luciano lächelte, denn damit hatte er ein weiteres der anstehenden Probleme gelöst. Für das nächste schickte er einen Boten nach Rom und forderte Conte Ercole Orsini und dessen Gemahlin auf, nach Santa Maria in Trastevere zu kommen.
9.
A n diesem Abend herrschte eine eigentümliche Stimmung in dem nur von wenigen Kerzen erhellten Kirchenschiff. Pater Luciano hatte darauf bestanden, dass Falko, Margarete und ihre Vertrauten sich jenseits des Lichtkreises in einem Winkel der Kirche aufhielten, an dem sie nicht sofort gesehen werden konnten. Er selbst stand vor dem Altar und schlug eben das Kirchenbuch auf, in dem er alle Heiraten, Geburten und Sterbefälle seiner Gemeinde einzutragen pflegte. Nicht weit von ihm entfernt standen die beiden Ammen mit den ihnen anvertrauten Säuglingen ebenfalls im Schein der Kerzen.
Weder Falko noch die anderen begriffen, was der Pater plante. Für Falko war es eine Qual, hier zu stehen und zu wissen, dass Francescas Eltern jeden Moment erscheinen konnten. Er befürchtete Vorwürfe, ja sogar einen Streit mit Conte Ercole und dessen Gemahlin. Vielleicht …
In dem Augenblick beendete Pater Lucianos Stimme seinen Gedankengang. »Der Sagrestano gibt das Zeichen! Orsini ist also doch gekommen.«
Während der Geistliche erleichtert zu sein schien, wünschte Falko sich an den Nordrand der Alpen, um Francescas Vater nicht begegnen zu müssen.
»Ganz scheint Conte Ercole dem Frieden nicht zu trauen, denn er hat ein halbes Dutzend Waffenknechte bei sich. Hoffentlich sucht er nicht Rache für seine Tochter. Da wir nur zu dritt sind, könnte es haarig werden!« Hilbrecht zählte nur auf Falko, Ritter Oskar und sich und nicht auf die beiden Geistlichen und den Küster.
Um zu zeigen, dass er auf der Seite seiner Freunde kämpfen würde, packte Giso einen Kerzenleuchter aus Messing und hielt ihn wie eine Keule in der Hand. »Wir sind vier und werden doch wohl mit einem alten Mann und sechs Knechten fertig werden!«, sagte er dabei.
»Ich will nicht kämpfen!« Falko atmete tief durch und beobachtete nun, wie zwei von Orsinis Männern vorsichtig in die Kirche blickten. Da sie nur Pater Luciano und die beiden Weiber mit den Säuglingen sahen, legte sich ihr Misstrauen, und sie gaben den Weg für ihren Herrn frei.
Ercole Orsini trat mit seiner tief verschleierten Gemahlin am Arm in die Kirche und sah den Pater an. »Warum habt Ihr mich gerufen?«
Über Pater Lucianos Gesicht huschte ein trauriges Lächeln. »Einst waren wir Freunde, Ercole.«
»Diese Zeit ist lange vorbei. Ihr habt Euch für die Deutschen entschieden!«
»Und Ihr Euch für die Franzosen«, konterte der Pater.
Der Conte machte eine ärgerliche Handbewegung. »Nicht für diese, sondern für Italien!«
»Und doch habt Ihr Euch von dem Vicomte de Promont dazu überreden lassen, ein Attentat auf Kaiser Friedrich zu planen.«
»Wie kommt Ihr darauf?«, fragte Orsini verwirrt. »Der Vicomte war bei mir zu Gast, und ich habe auch mit ihm gesprochen. Doch seit Seine Heiligkeit den Besuch des Königs gutgeheißen hat, habe ich mich aus allen Verwicklungen herausgehalten.«
»Soll ich Euch das wirklich glauben? Immerhin hat Euer Gefolgsmann d’Specchi einen Anschlag auf Friedrich unternommen.« Eine gewisse Enttäuschung schwang in der Stimme des Paters mit. Es klang, als trauere er der einstigen Freundschaft mit dem Mann nach, den er seit seinen Jugendtagen kannte.
»D’Specchi ist tot und sein Sohn ebenfalls. Sie starben nicht durch die Leibwächter des Königs«, antwortete Orsini grimmig.
»Aber genau das geschah mit dem Mann, der Friedrich im Auftrag der d’Specchis töten sollte. Der Attentäter hat sein Verbrechen gestanden, bevor er starb. Solltet Ihr den
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