Toechter Der Suende
in Sodom und Gomorrha. Die Säuglinge werden nach der Geburt Ammen übergeben und kommen anschließend in die Obhut von anderen Klöstern, in denen sie zu Dienern und Dienerinnen unseres Herrn Jesus Christus und der Heiligen Jungfrau Maria erzogen werden.« Bei diesen Worten sah die Hebamme Margarete und Edelgunde grimmig an, denn sie hatte erfahren, dass diese Elisabeths Kind mitnehmen würden.
Die Zeit zu reden war jedoch vorbei, denn Elisabeth stieß einen lauten Schrei aus und versuchte, sich aufzurichten.
»Bleib liegen! Es ist doch nur die Fruchtblase geplatzt«, herrschte die Hebamme sie an. »Danke Gott, denn jetzt dauert es nicht mehr lange.«
»Wenn alles gutgeht«, setzte Edelgunde so leise hinzu, dass nur ihre Nichte es hören konnte.
Die Hebamme schien keine Zweifel zu haben, sondern untersuchte Elisabeth und brummte dabei zufrieden vor sich hin. Doch die Gebärende schrie immer wieder vor Schmerzen auf. Schließlich wies die Hebamme Margarete und Edelgunde an, ihre Freundin aufzurichten und festzuhalten, und machte sich ans Werk. Kurz darauf stieß Elisabeth einen letzten Schmerzensruf aus und sank auf das Bett zurück, während die Nonne das Neugeborene abnabelte.
»Hier! Da Ihr es mitnehmt, könnt Ihr es auch säubern«, sagte sie und reichte den Säugling an Margarete weiter. Sie selbst stellte sich so, dass das Kind Elisabeths Blicken entzogen wurde.
»Es ist nicht erwünscht, dass die Mütter die Kinder zu sehen bekommen«, sagte sie. »Daher werden diese gleich nach der Geburt aus dem Raum gebracht. Die Sünderinnen wissen meist nicht einmal, ob sie einen Sohn oder eine Tochter geboren haben.«
Margarete fand das grausam und reckte den Kopf, um nach Elisabeth zu schauen. Dieser rannen die Tränen über die Wangen, und sie streckte die Arme in einer hilflosen Geste in Richtung des Kindes aus.
»Wenn Ihr das Kind gesäubert habt, werdet Ihr Euch mit Eurer Tante ins Gästehaus des Klosters begeben. Dort wartet schon eine Amme auf Euch. Ich erledige hier den Rest!« Damit war nach Ansicht der Nonne alles gesagt.
So einfach wollte Margarete sich nicht vertreiben lassen. Zusammen mit Edelgunde wusch sie das Kind mit warmem Wasser und rieb es anschießend mit einem Tuch trocken. »Ist sie nicht hübsch?«, fragte sie ihre Tante.
Diese merkte die Absicht und zwinkerte ihr zu. »Ich habe selten ein schöneres Mädchen gesehen. Es ist wohlgestaltet und scheint Hunger zu haben!«
»Schreien kann es auch!«, setzte Margarete hinzu, als der Säugling zu greinen begann.
»Das haben Kinder so an sich«, erklärte die Hebamme ungerührt und machte eine ungeduldige Handbewegung. »Kommt endlich! Ich habe anderes zu tun, als hier herumzustehen.«
»Ich werde mich wohl von meiner Freundin verabschieden dürfen!«, antwortete Margarete scharf.
Ohne sich um die Nonne zu kümmern, trat sie mit dem Säugling auf dem Arm auf Elisabeth zu. »Möge Gott mit dir sein, meine Liebe!«
Dabei hielt sie das Kleine so, dass ihre Freundin das winzige Gesichtchen sehen konnte.
Elisabeth berührte ihre Tochter mit zwei Fingern und blickte dann wie beseelt zu Margarete auf. »Kümmere dich um mein Kind!«
»Als wäre es mein eigenes!«, versprach Margarete ihr, küsste Elisabeth noch einmal auf die Wange und wandte sich zum Gehen.
»Ich darf ihr nicht einmal einen Namen geben«, hörte sie da Elisabeth flüstern und drehte sich noch einmal um.
»Sie wird Michaela heißen – nach dem heiligen Michael, dem Schutzpatron der Deutschen, und Maria nach der Heiligen Mutter Jesu.«
Margarete wusste, dass dies ein Abschied für immer war. Daher kämpfte auch sie mit den Tränen, die ihrer Freundin in immer größerer Zahl aus den Augen rannen. Bevor sie noch etwas sagen konnte, fasste die Hebamme sie bei der Schulter und schob sie zur Tür hinaus.
Wie versprochen wartete im Gästebereich eine junge Nonne, die erst vor kurzem geboren hatte, in weltlicher Kleidung auf sie. Diese würde sie nach Rom begleiten. Zwar hatte die Frau ihr eigenes Kind hergeben müssen, wie es Sitte war, doch ihr Milchfluss wollte nicht versiegen. Aus diesem Grund sollte sie einer vornehmen Familie in Rom als Amme dienen, und bis dorthin würde sie die kleine Michaela Maria nähren.
Die Frau war scheu und wagte kaum ein Wort zu sagen, nahm aber den Säugling entgegen und legte ihn sich an die Brust. Obwohl sie lächelte, liefen ihr Tränen über die Wangen, womöglich dachte sie an ihr eigenes Kind, über dessen Schicksal nun andere Menschen
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