Toechter Der Suende
Oberschenkel. Das ausgetretene Blut hatte das Leder der Hose dunkel gefärbt, und das Tuch, mit dem Schwester Euphemia die Verletzung verbunden hatte, schimmerte rot.
»Wie steht es mit Eurer Wunde?«, fragte sie besorgt.
»Eigentlich merke ich sie gar nicht«, antwortete Falko nicht ganz wahrheitsgemäß. Tatsächlich pochte es stark in seinem Oberschenkel, und er sehnte die weise Frau herbei, die laut Aussage des Wirtes selbst abgeschlagene Gliedmaßen wieder anheften konnte.
»Ihr hättet schwerer verletzt oder sogar getötet werden können! Doch Ihr habt Eure Ehre und Euren Rittereid höher geachtet als Eurer Leben und Eure Gesundheit.« Bevor Elisabeth gewahr wurde, was sie tat, hatte sie erneut Falkos Hand ergriffen und hielt sie diesmal länger fest.
Falko spürte die warmen, zarten Finger in den seinen und lauschte dem Loblied, das sie für ihn sang. Möge dieser Augenblick doch niemals enden!, bat er im Stillen. Als er in ihr Gesicht blickte, hätte er ihr am liebsten die blassen Lippen geküsst.
Stattdessen lächelte er wehmütig. »Eure Worte ehren mich, ehrwürdige Mutter!«
Im gleichen Moment wurde ihm klar, dass sie jünger war als er, und er haderte mit dem Schicksal, das diese wunderschöne Frau zur Nonne und Oberin eines Klosters bei Rom bestimmt hatte. Wäre sie eine der Nichten von Herrn Gottfried ohne diese Berufung gewesen, hätte er alles darangesetzt, um sie zu der Seinen zu machen. Doch als Braut des Herrn war sie für ihn so unerreichbar wie die Sterne am Himmel.
»Verzeiht, Herr Ritter. Die Hebamme ist gerade gekommen«, meldete der Wirt.
Da Elisabeth seine Hände sofort freigab, hätte Falko den Mann am liebsten geohrfeigt. Der Zauber des Augenblicks war verflogen, und der Schmerz, den er zuletzt kaum mehr gespürt hatte, kehrte mit doppelter Stärke zurück.
»Führe das Weib herein!«, knurrte er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Sie ist wirklich gut und vermag Euch auch einen Saft gegen Eure Schmerzen zu geben«, erklärte der Wirt, der Falkos unwirsches Verhalten auf die Verletzung schob. Um den Gast nicht zu verärgern, kehrte er in die Küche zurück, in der die Hebamme gerade seine Magd anwies, einen sauberen Kessel mit frischem Quellwasser zu füllen und über die Herdflamme zu hängen.
»Das werde ich brauchen, wenn der Ritter so verletzt ist, wie du mir gesagt hast«, erklärte sie, drehte sich dann zu dem Wirt um und sah mit schräg gehaltenem Kopf zu ihm auf.
»Wo ist der Herr?«
»In dem Extrazimmer, das ich für bessere Gäste bereithalte.«
»Steht dort ein Bett?«
»Nein, nur ein Tisch und mehrere Stühle.«
»Dann lass den Mann in eine Kammer mit einem Bett schaffen! Wie soll ich seine Wunden versorgen, wenn er nicht ruhig liegt?«
Da der Wirt aus Erfahrung wusste, dass es nichts brachte, mit der Hebamme zu streiten, verließ er das Zimmer und bat Falko, ein Stockwerk höher zu steigen und sich dort in seinem besten Zimmer aufs Bett zu legen.
»Ich stütze Euch«, bot Elisabeth an und begriff erst dann, dass sie bei diesem Samariterwerk mit Falko in einen weitaus engeren Kontakt kommen würde, als wenn sie nur seine Hände hielt. Jetzt stell dich nicht so an, mahnte sie sich im Stillen. Immerhin war sie als Nonne dazu verpflichtet, anderen zu helfen. Dazu kam, dass Falko ein treuer Gefolgsmann ihres Onkels war und ein kühner Streiter, der sein Leben nicht geschont hatte, um ein ihm völlig unbekanntes Mädchen zu retten.
Resolut trat sie auf Falko zu, ergriff dessen rechten Arm und legte ihn sich um die Schulter. Dann sah sie ihn lächelnd an. »Geht es so?«
»Aber freilich!« Falko wurde heiß, und daran war nicht seine Wunde schuld. Der feste Körper, der sich so vertrauensvoll an ihn schmiegte, entfachte Gefühle in ihm, die er nur mühsam beherrschen konnte. Nun war er froh um den Schmerz, der ihm bereits bei der ersten Stufe durch das Bein schoss. Sonst hätte er nur noch daran denken müssen, wie sehr er diese junge Frau begehrte.
6.
D ie Hebamme erwartete ihn mit einem noch halbvollen Becher in der Hand, musterte ihn und verzog den zahnlückigen Mund zu einem Grinsen. »An dem Ritter hängt ja noch alles dran! Dabei hieß es, er würde bereits den Kopf unter dem Arm tragen.«
Mit einem schiefen Blick humpelte Falko an ihr vorbei und ließ sich von Elisabeth auf das Bett helfen.
Die Äbtissin blieb im Raum stehen und wusste nicht so recht, was sie tun sollte. Aber die alte Hebamme hatte sofort eine Aufgabe für sie. »Zieh dem Ritter die
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