Toechter Der Suende
schreien, was sie von einem solchen Schurkenstück hielt, doch die Anwesenheit eines Fremden hielt sie davon ab. Daher schwieg sie, bis Falko sich aus dem Sattel geschwungen und sie vom Pferd gehoben hatte. Doch kaum stand sie auf festem Boden, blickte sie ihrem Vater voller Verachtung in die Augen.
»Mir ist Schändliches geschehen!« Sie wollte schon hinzusetzen, dass der Deutsche sie vor der Vergewaltigung durch ihren Verlobten gerettet hatte. Da sie jedoch befürchtete, ihn damit den d’Specchis und deren Freunden auszuliefern, die schnell mit Dolch und Gift zur Hand waren, bog sie den nächsten Satz gerade noch um. »Zum Glück ist es mir gelungen, den schrecklichen Katakomben zu entkommen. Als ich dann hilflos und allein draußen umhergeirrt bin, hat mir der Himmel diesen edlen Ritter geschickt. Er hat sich meiner erbarmt und mir sein Geleit nach Hause angeboten. Ich hoffe, Ihr gewährt ihm die Gastfreundschaft, die ihm wegen dieser edlen Tat gebührt!«
Jedes ihrer Worte stellte eine Kröte dar, die ihr Vater zu schlucken hatte. Ercole Orsini wollte fragen, wo Cirio d’Specchi geblieben war, wagte es aber nicht, da er das Temperament seiner Tochter kannte. Wenn der Zorn sie übermannte, würde sie einen Dolch packen und sogar auf ihn losgehen. Daher beschied er ihr mit einer Geste, sich ins Haus zu begeben, und wandte sich an ihren Begleiter.
»Ich hoffe, Ihr nehmt meine Einladung zu einem Glas Wein und einem Mittagsmahl an.« Es klang so abweisend, dass jeder andere dankend verzichtet hätte.
Falko aber wollte Francesca näher kennenlernen und stimmte mit einem strahlenden Lächeln zu. »Ich danke Euch sehr! Umso mehr, da ich jetzt wirklich hungrig bin.«
Dann warf er Frieder die Zügel zu und folgte Ercole Orsini ins Haus.
Das Staunen, mit dem er die kunstvoll getäfelten Wände und Decken sowie die Bilder an diesen Wänden betrachtete, söhnte Ercole Orsini ein wenig mit dem ungebetenen Gast aus. Francescas Vater war stolz auf sein Heim und hatte keine Kosten gescheut, um es behaglich und gleichzeitig repräsentativ einzurichten. Sein entfernter Vetter, der Herzog von Gravina, hätte wahrscheinlich über seinen Eifer gelächelt, doch für den jungen deutschen Ritter war der Anblick eine Offenbarung. Falko entdeckte sogar Glasfenster, die weitaus größere und durchsichtigere Scheiben aufwiesen, als er sie in Deutschland je gesehen hatte.
»Diese Gläser stammen aus Murano, wie übrigens auch die Gläser, in denen uns gleich der Wein kredenzt wird«, erklärte Francescas Vater voller Stolz. Er hatte bei Pilgern aus dem Norden Becher aus Birkenrinde gesehen und sagte sich, dass der Tedesco ruhig sehen sollte, wie hoch Rom und auch ganz Italien über seiner barbarischen Heimat standen.
6.
W ährend Annunzia mit den Knechten und den Pferdesänften in die Stadt zurückgekehrt war, hatte Gianni an einem vorher verabredeten Ort auf Cirio d’Specchi gewartet. Die Zeit verstrich, ohne dass dieser mit Francesca erschien. Zuerst spottete Gianni, dass sein Freund in seiner Leidenschaft nicht von seiner Verlobten lassen konnte. Als es jedoch immer später wurde, fasste er die beiden Pferde, die Cirio, Francesca und ihn nach Rom zurückbringen sollten, am Zügel und führte diese zum Eingang der Domitilla-Katakomben. Die Tür ins Innere war bereits verschlossen, doch dies war für ihn kein Hindernis. Er ging ein paar Schritte weiter, band die Gäule an einen Baum und hängte ein Stück bestickten Stoffs an einen der Sättel. Das Symbol darauf würde jeden Gauner davon abhalten, sich an den Tieren zu vergreifen.
Nach diesen Vorsichtsmaßnahmen verschwand Gianni zwischen den Büschen, bis er zu einer von Zweigen verhangenen Stelle kam. Dort entfernte er ein Brett und ließ sich in die dunkle Öffnung hinab, die dahinter zum Vorschein kam. Stahl, Feuerstein und Zunder sowie eine Öllampe fand er in jener Nische, in der er und seine Freunde sie zurückgelassen hatten. Er schlug einen Funken, den er im Zunder anblies, bis die Flamme ausreichte, die Lampe anzuzünden.
Die kleine Höhle, in der er sich jetzt befand, gehörte zu einem Abschnitt der Katakomben, die nicht einmal der Mönch aufzusuchen wagte, der für sie zuständig war. In diesen Gängen und kleinen Kavernen hatten Giannis Freunde einiges versteckt, was nicht ganz zufällig in ihre Hände geraten war. Gianni vergönnte den Säcken und Kisten jedoch nur einen kurzen Blick und eilte in den Teil des unterirdischen Labyrinths, in dem er Cirio d’Specchi
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