Toechter Der Suende
sonderbaren Umstand nachdenken, denn gerade wurde der Arzt ins Zimmer geführt und begann, den Verletzten zu untersuchen. Als er sich schließlich aufrichtete und dem Hausherrn zuwandte, war seine Miene ernst.
»Ihr könnt der Madonna eine große Kerze stiften, wenn Euch der Sohn bleibt, Signore d’Specchi. Hätte ihn der Stoß nur zwei Fingerbreit höher an der Schläfe getroffen, wäre er sofort umgekommen. Doch auch so ist die Wunde schlimm genug. Sein Jochbein ist zerschmettert und das Nasenbein gebrochen. Auch wurde das rechte Auge in Mitleidenschaft gezogen. Ihr seht selbst, dass er dessen Lid nicht mehr öffnen kann. Ich hoffe, dass es nur an der Schwellung liegt und Euer Sohn, wenn diese abgeheilt ist, wieder damit sehen kann. Doch das liegt in der Hand der Muttergottes und der Heiligen Kosmas und Damian. Ich kann nicht mehr für Euren Sohn tun, als ihm eine Arznei zu geben, die ihm die Schmerzen zu ertragen hilft, sowie eine Salbe, die, so Madonna es will, verhindert, dass die Wunde sich entzündet.«
»Ihr setzt offenbar mehr Vertrauen in die Mutter des Heilands als in Eure eigene Kunst, dottore «, antwortete Dario d’Specchi mit knirschender Stimme.
»Wenn Euch meine Kunst nicht genügt, ist es Euch unbenommen, einen anderen Arzt zu rufen!« Beleidigt wollte der Mann seine Instrumente wieder einpacken.
Da fasste d’Specchi ihn am Arm. »Legt doch die Worte eines besorgten Vaters nicht auf die Goldwaage, dottore . Ich vertraue Euch voll und ganz, sage aber offen, dass ich mir eine günstigere Diagnose gewünscht hätte.«
»Ich kann meine Diagnosen nicht nach den Wünschen meiner Patienten stellen, sondern nur nach ihren Leiden. Und da sieht es bei Eurem Sohn nicht gut aus. Signore Cirio wird, sollte er tatsächlich überleben, Wochen brauchen, um diese Verletzung zu überwinden. Auch wird er hinterher nicht mehr der schmucke cavaliere sein, als den wir ihn kennen, sondern entstellt bleiben.«
Diese schonungslosen Worte riefen bei den Schwestern des Verletzten Entsetzen hervor. Zwei von ihnen fingen zu schluchzen an.
»Heulen könnt ihr draußen!«, herrschte der Arzt die jungen Frauen an, die ihrem Alter nach längst hätten verheiratet sein sollen. Doch in dem Bestreben, selbst nach oben zu kommen und sie besser an den Mann bringen zu können, hatte Dario d’Specchi bislang jeden Heiratsantrag für sie abgelehnt. Der dottore bedauerte dies, denn eine von ihnen hätte auch ihm gefallen können. Doch seit es dem Hausherrn gelungen war, seinen Sohn mit einer Orsini zu verloben, wurde seinesgleichen in diesem Haus nur geduldet, solange es unbedingt nötig war.
7.
N achdem der Arzt gegangen und sein Sohn in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf gesunken war, wandte Dario d’Specchi sich mit einer heftigen Bewegung Gianni zu. »Hast du eine Ahnung, wer hinter dieser schändlichen Tat stecken könnte?«
Gianni antwortete mit einer hilflosen Geste. »Nein, dafür ist die Auswahl zu groß, Signore Dario. Es könnten Freunde von Kardinal Foscarelli, aber auch von Antonio Caraciolo gewesen sein, die Verdacht geschöpft haben, wer für das Ableben der beiden verantwortlich ist. Auch gibt es gewiss Leute, die Euch und Eurem Sohn missgönnen, so hoch aufzusteigen. Auch solltet Ihr nicht vergessen, dass es Teilen der Orsini-Sippe nicht passt, dass ihre Verwandte Euren Sohn heiraten soll.«
Unbewusst nickte Dario d’Specchi. »Da gibt es einige. Dabei fällt mir ein, wir sollten uns über Francescas Schicksal Klarheit verschaffen. Du wirst daher zu Ercole Orsinis Haus gehen und dort die Ohren aufsperren. Verrate aber nicht, was geschehen ist. Erst muss ich wissen, ob der Conte immer noch zu dieser Heirat steht. Doch sollte er selbst es gewagt haben, meinem Sohn eine Falle zu stellen, wird er dafür bezahlen!«
D’Specchi streichelte seinen Dolch auf eine Weise, die Gianni ein böses Lächeln entlockte.
»Ich bin schon unterwegs«, sagte er und war zum ersten Mal froh, das Haus der d’Specchis verlassen zu können.
Dario d’Specchi sah ihm kurz nach, dann glättete er mit einer zärtlichen Geste das Kissen, auf dem der Kopf seines Sohnes ruhte. Am liebsten hätte er einen Diener nach Eis geschickt, um die Schwellungen in Cirios Gesicht kühlen zu können. Der Arzt hatte ihm jedoch davon abgeraten. Da der Jochbeinknochen und das Nasenbein zertrümmert waren, hätte dies mehr geschadet als genützt.
Da er hier nichts mehr tun konnte, verließ d’Specchi den Raum und suchte seine Ehefrau auf. Diese saß
Weitere Kostenlose Bücher