Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
Vormittagslicht wirkte das häßliche Ende des Vorabends bereits etwas weniger schlimm, und sie lenkte sich von der Erinnerung ab, indem sie ihren Besuchern ausführliche Erklärungen zu den verschiedenen Werkzeugen und Techniken gab und Niall sogar beim Blasen seiner ersten Glaskugel behilflich war.
»Das ist keine Trompete.« Als er das Rohr über seinen Kopf zu heben begann, drückte sie es entschieden nach unten zurück. »Wenn du so angibst, erreichst du dadurch nur, daß dir heißes Glas auf die Backen tropft.«
»Ich glaube, ich spiele lieber weiter Golf.« Blinzelnd gab er ihr das Rohr zurück. »Eine Künstlerin in der Familie ist genug.«
»Und Sie machen tatsächlich Ihr eigenes Glas.« In einer maßgeschneiderten Hose und einer eleganten Seidenbluse wanderte Christine durch das Atelier. »Aus Sand.«
»Und ein paar anderen Dingen. Sand, kohlensaurem Natrium, Kalk, Feldspat, Dolomit. Ein bißchen Arsen.«
»Arsen.« Christine riß die Augen auf.
»Und dies und das«, schloß Maggie die Aufzählung lächelnd ab. »Ich hüte meine Formel wie eine Hexe ihren Zauberspruch. Abhängig von der Farbe, die man erzielen will, fügt man noch ein paar andere Chemikalien hinzu. Je nach Glassorte werden verschiedene Farbstoffe verwandt. Kobalt, Kupfer,
Mangan. Und dann gibt es noch die Karbonate und die Oxyde. Arsen ist ein hervorragendes Oxyd.«
Christine bedachte die ihr von Maggie gezeigten Chemikalien mit einem zweifelnden Blick. »Man sollte meinen, gebrauchtes oder fertiges Glas einzuschmelzen wäre einfacher.«
»Aber es ist nichts Eigenes, nicht wahr?«
»Ich wußte gar nicht, daß man auch Chemikerin sein muß und nicht nur Künstlerin.«
»Unsere Maggie war schon immer ein ziemlich heller Kopf.« Niall legte einen Arm um ihre Schulter. »Sarah hat mir immer geschrieben, was für eine gute Schülerin unsere Maggie und was für ein süßes Mädchen unsere Brianna war.«
»Genauso war’s«, pflichtete ihm Maggie lachend bei. »Ich war schlau, und Brie war süß.«
»Sie hat gesagt, Brie wäre ebenfalls schlau«, nahm Niall seine jüngere Großnichte umgehend in Schutz.
»Aber ich wette, sie hat nie behauptet, ich wäre ebenfalls süß.« Maggie vergrub ihr Gesicht in seiner Jacke. »Ich bin so froh, dich wiederzusehen. Ich wußte gar nicht, wie sehr du mir gefehlt hast in all der Zeit.«
»Seit Toms Tod habe ich dich vernachlässigt, Maggie Mae.«
»Nein. Jeder von uns hat sein Leben gelebt, und Brie und ich wußten, daß Mutter es dir nicht leichtmachte, bei uns vorbeizuschauen. Was das betrifft …« – sie trat einen Schritt zurück, atmete tief ein und sah ihren Onkel an – »so möchte ich mich für den gestrigen Abend entschuldigen. Ich hätte sie nicht provozieren sollen, und auf keinen Fall hätte ich einfach gehen dürfen, ohne mich wenigstens zu verabschieden.«
»Es besteht keine Notwendigkeit, dich bei uns zu entschuldigen. Ebenso wie ich vorhin auch schon zu Brianna gesagt habe, daß sie sich für nichts entschuldigen muß.« Niall tätschelte Maggie die Wange. »Maeve war schon bei ihrer Ankunft schlecht gelaunt. Du hast sie in keiner Weise provoziert.
Dich trifft keine Schuld an der Art, wie sie durchs Leben geht, Maggie.«
»Egal. Auf jeden Fall tut es mir leid, daß es ein so unschöner Abend war.«
»Ich finde, er war ziemlich aufschlußreich«, sagte Christine in ruhigem Ton.
»Das war er wohl«, pflichtete Maggie ihr bei und sah abermals ihren Onkel an. »Hast du sie jemals singen hören, Onkel Niall?«
»Allerdings. Lieblich wie eine Nachtigall, jawohl. Und rastlos wie eine der Wildkatzen, die man in den Zoos in zu kleinen Käfigen hält. Sie war immer schon schwierig, Maggie, nur zufrieden, wenn die Leute still waren und zuhörten, wie sie sang.«
»Und dann kam mein Vater.«
»Dann kam Tom. Nach allem, was man mir erzählt hat, waren die beiden außer füreinander für alles blind und taub. Das heißt, vielleicht waren sie sogar füreinander blind und taub.« Er strich ihr mit seiner Pranke über das Haar. »Es könnte sein, daß keiner der beiden, ehe sie unlösbar aneinander gebunden waren, je das Innere des anderen wahrnahm. Als sie einander dann in die Herzen sahen, entsprach das, was sie dort fanden, nicht ihren Erwartungen. Und Maeve hat zugelassen, daß diese Erkenntnis sie verbitterte.«
»Meinst du, wenn die beiden einander nicht begegnet wären, wäre sie nicht so geworden wie jetzt?«
Lächelnd strich er ihr abermals übers Haar. »Wir alle werden
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