Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
Stirn. Die Formulierung war nicht ganz richtig. Eine kleine Änderung… Er machte eine Pause, dachte nach, strich einen der Sätze durch und formulierte ihn neu. Die Erweiterung seiner Fabrik in Limerick war von größter Bedeutung für seine Pläne, und es war unbedingt erforderlich, daß er sie noch vor Ablauf des Jahres durchbekam.
Hunderte von Stellen würden geschaffen, und durch den gleichzeitig von einer Worldwide-Tochtergesellschaft realisierten Bau billiger Wohnungen bekämen Hunderte von Familien ein neues Zuhause.
Beide Geschäftszweige hätten direkt miteinander zu tun, dachte er. Dies wäre ein kleiner, aber bedeutender Beitrag dazu, daß die irische Bevölkerung – die traurigerweise bisher der größte Exportposten des Landes war – in Irland blieb.
Seine Gedanken drehten sich um die nächste Klausel, doch ehe er sich ganz darauf konzentrieren konnte, merkte er, daß
er mit seinen Gedanken woanders war. Irgend etwas lenkte ihn von seiner Arbeit ab. Rogan blickte auf und bemerkte, daß die Ablenkung nicht in irgend etwas , sondern in irgend jemand bestand.
Er mußte gespürt haben, daß sie barfuß, mit schläfrigem Blick und in einen ausgefransten grauen Morgenmantel gehüllt im Türrahmen stand. Ihr feurig schimmerndes Haar hatte sie auf eine Weise zurückgestrichen, die hätte streng sein sollen, statt dessen aber einfach faszinierend war.
Ungeschminkt und frisch geduscht erschien ihm ihr Gesicht wie aus von einem rosafarbenen Hauch überzogenem Elfenbein. Ihre schlaftrunkenen Augen wurden von dichten, feucht blitzenden Wimpern eingerahmt.
Ihr Anblick rief eine schnelle, brutale und sehr menschliche Reaktion in ihm hervor, doch gnadenlos unterdrückte er den Hitzeschub.
»Tut mir leid, wenn ich störe.« Ihr keckes Lächeln quälte seine bereits hyperaktive Libido noch mehr. »Eigentlich habe ich die Küche gesucht. Ich bin halb verhungert.«
»Was nicht weiter überraschend ist.« Er war gezwungen, sich zu räuspern, denn die heisere, sinnliche Schläfrigkeit in ihrer Stimme war mehr, als er ertrug. »Wann haben Sie zum letzten Mal etwas gegessen?«
»Ich weiß nicht genau.« Lässig an den Türrahmen gelehnt, gähnte sie. »Gestern, glaube ich. Wissen Sie, ich bin immer noch ein bißchen verwirrt.«
»Nein, gestern sind Sie nicht ein einziges Mal aufgewacht. Sie haben den ganzen Tag verschlafen – von dem Augenblick an, an dem wir Ihre Schwester verlassen haben, bis jetzt.«
»Oh.« Sie zuckte mit den Schultern. »Und wieviel Uhr ist es jetzt?«
»Jetzt ist es Dienstag abend, kurz nach acht.«
»Tja dann.« Sie betrat den Raum, warf sich in den großen Ledersessel, der ihm gegenüber an seinem Schreibtisch stand,
und zog die Beine an, als wäre sie es seit Jahren gewohnt, derart vertraulich mit ihm zusammenzusein.
»Schlafen Sie oft sechsunddreißig Stunden am Stück?«
»Nur, wenn ich zu lange aufgeblieben bin.« Sie räkelte sich, denn sie hatte einen steifen Hals. »Manchmal packt einen ein Stück, und man läßt nicht eher davon ab, als bis es fertig ist.«
Entschlossen löste er seinen Blick von dem Fleisch, das unter ihrem Morgenmantel hervorblitzte, und starrte blind auf das vor ihm liegende Papier. Seine teenagerhafte Reaktion auf sie entsetzte ihn. »Was bei einer Arbeit wie der Ihren nicht ungefährlich ist.«
»Doch, denn man empfindet keinerlei Müdigkeit. Man ist auf eine beinahe unerträglich angespannte Weise wach. Wenn man einfach nur zu lange gearbeitet hat, verliert man seinen Biß. Dann muß man aufhören und eine Pause einlegen, bis es einem wieder bessergeht. Aber wenn mich eine Sache fasziniert, ist es etwas anderes. Und wenn ich fertig bin, falle ich ins Bett und bleibe dort, bis ich ausgeschlafen habe.« Wieder umspielte ein Lächeln ihren Mund. »Die Küche, Rogan? Ich sterbe, wenn ich nicht gleich etwas zu essen bekomme.«
Statt einer Antwort griff er nach dem Telefon und gab eine Nummer ein. »Miss Concannon ist aufgewacht«, sagte er. »Bitte bringen sie ihr etwas zu essen in die Bibliothek.«
»Großartig«, sagte sie, als der Hörer wieder auf der Gabel lag. »Aber ich hätte mir einfach ein paar Eier in die Pfanne hauen können. Damit hätte ich ihren Angestellten die Mühe erspart.«
»Für diese Mühe werden sie bezahlt.«
»Oh, natürlich.« Ihre Stimme war so trocken wie Staub. »Wie schön muß es für Sie sein, daß Ihnen rund um die Uhr irgendwelche Bediensteten zur Verfügung stehen.« Ehe er etwas erwidern konnte, winkte sie ab.
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