Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
Kopf formte sie bereits eine Schale, breit und tief, deren Tönung dem Strudel dieser miteinander ringenden Farben entsprach.
Die Straße machte eine erneute Biegung, doch dann verlief sie gerade, und Maggie fädelte den ratternden Kleinlaster zwischen winterlich gelben, mehr als mannshohen Hecken hindurch. Ein wenig außerhalb des Dorfes stand am Straßenrand ein Marienschrein. Das Gesicht der Jungfrau war ernst, ihre Arme waren ausgebreitet wie zum herzlichen Empfang derer, zu deren Trost sie hier draußen in der Kälte stand, und zu ihren Füßen hatte irgend jemand kitschig leuchtende Plastikblumen niedergelegt.
Tom Concannon stieß einen leisen Seufzer aus, und Maggie sah ihn an. Er erschien ihr ein wenig blaß und angespannt. »Du wirkst müde, Dad. Bist du sicher, daß ich dich nicht lieber nach Hause fahren soll?«
»Nein, nein.« Er zog seine Pfeife heraus und klopfte sich
geistesabwesend mit ihr auf die Hand. »Ich möchte das Meer sehen. Es braut sich ein Sturm zusammen, Maggie Mae. Bestimmt bekommen wir vom Loop Head aus ein prächtiges Schauspiel zu sehen.«
»Bestimmt.«
Hinter dem Dorf wurde die Straße erschreckend schmal, so daß Maggie das Fahrzeug lenkte, als schöbe sie einen Faden durch ein Nadelöhr. Ein aufgrund der Kälte dick vermummter Mann kam ihnen entgegen, und sein Hund trottete in stoischer Ergebenheit hinter ihm her. Beide drückten sich in die Hecke, als Maggie den Laster wenige Zentimeter an den Stiefeln des Spaziergängers vorbeisteuerte. Als sie ihn passierten, nickte er Maggie und Tom grüßend zu.
»Weißt du, was ich überlegt habe, Dad?«
»Was?«
»Wenn ich noch ein paar Teile verkaufen könnte – nur ein paar –, dann könnte ich mir einen zweiten Ofen leisten. Weißt du, ich will mit mehr Farben arbeiten als bisher. Wenn ich noch einen Ofen bauen könnte, könnte ich mehr schmelzen. Der Schamottestein kostet gar nicht so viel, aber zweihundert bräuchte ich bestimmt.«
»Ich habe etwas beiseite gelegt.«
»Nein, nicht schon wieder.« In diesem Punkt war sie hart. »Ich danke dir für das liebe Angebot, aber das muß ich alleine schaffen.«
Seine Miene umwölkte sich, und er sah mit gerunzelter Stirn seine Pfeife an. »Ich frage dich, wozu ist ein Vater da, wenn nicht, um seinen Kindern zu geben, wenn es ihnen an etwas fehlt? Du interessierst dich weder für modische Kleider noch für hübschen Schmuck, wenn du also Schamottesteine haben willst, dann kriegst du sie auch.«
»Allerdings«, erwiderte sie. »Aber ich kaufe sie von meinem eigenen Geld. Das sage ich ganz im Ernst. Es ist nicht dein Geld, was ich will, sondern dein Vertrauen in mich.«
»Du hast mir das, was ich dir in deinem Leben gegeben habe, bereits zehnfach zurückgezahlt.« Er lehnte sich zurück und öffnete das Fenster einen Spalt, so daß der Wind hereinzuziehen begann, als er seine Pfeife anzündete. »Ich bin ein reicher Mann, Maggie. Ich habe zwei wunderbare Töchter, jede von ihnen ein Juwel. Und obgleich ein Mann nicht mehr verlangen kann, habe ich auch noch ein schönes, solides Haus und Freunde, auf die ich mich verlassen kann.«
Maggie bemerkte, daß er ihre Mutter offenbar nicht als einen seiner Reichtümer betrachtete. »Und außerdem wartet immer noch der Schatz am Ende des Regenbogens auf dich.«
»Genau.« Wieder verstummte er. Sie kamen an alten, dachlosen und verlassenen Steinhütten und sich bis zum Horizont erstreckenden graugrünen Feldern vorbei, deren Anblick im dämmrigen Licht des vergehenden Tages von unglaublicher Schönheit war. Außerdem war hinter ein paar knorrigen, blattlosen Bäumen eine dem nun ungehindert pfeifenden Wind ausgesetzte Kirche zu sehen.
Statt traurig und einsam wirkte sie wunderschön auf Tom. Er teilte nicht Maggies Liebe zur Einsamkeit, aber bei einem Anblick wie diesem, wenn der tief hängende Himmel auf die leere Erde traf, ohne daß ein Zeichen menschlichen Lebens dazwischen lag, verstand er sie.
Durch den Spalt im Fenster drang der Geruch des Meeres herein. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er davon geträumt, es zu überqueren, um nach Amerika zu gehen.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er von vielen Dingen geträumt.
Er hatte ständig nach dem Schatz am Ende des Regenbogens gesucht, und daß er ihn nicht gefunden hatte, war einzig und allein seine Schuld. Er hatte als Sohn eines Farmers das Licht der Welt erblickt, hatte allerdings nie eine besondere Neigung zur Bestellung der Felder gehabt. Und nun hatte er bis auf ein
Weitere Kostenlose Bücher