Töchter des Feuers: Roman (German Edition)
junger Künstler gewesen, erinnerte sich Rogan, ehe er von seinen Ängsten und vom Whiskey kaputtgemacht worden war.
»Mein Büro ist im Augenblick anderweitig besetzt«, sagte er in freundlichem Ton. »Aber kommen Sie doch einfach mit rauf und zeigen Sie mir Ihre Arbeiten dort.«
»Vielen Dank.« Aimans blutunterlaufene Augen wurden von einem jämmerlichen Hoffnungsschimmer erhellt. »Vielen Dank, Mr. Sweeney. Ich werde Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen, das verspreche ich.«
»Ich wollte gerade einen Tee trinken.« Rogan nahm unauffällig Aimans Arm, damit er beim Erklimmen der Stufen nicht allzusehr ins Schwanken geriet. »Sie leisten mir doch sicher dabei Gesellschaft, während ich mir Ihre Bilder ansehe, nicht wahr?«
»Gerne, Mr. Sweeney, vielen Dank.«
Maggie trat eilig einen Schritt zurück, damit Rogan sie nicht sah. Sie war sich sicher gewesen, vollkommen sicher, daß er die schmuddelige Gestalt vor die Tür setzen würde oder daß er einem seiner Untergebenen diese schmutzige Aufgabe übertrug. Statt dessen hatte er den Mann eingeladen, mit ihm Tee
zu trinken, und ihn wie einen gern gesehenen Gast die Treppe hinaufgeführt.
Wer hätte gedacht, daß Rogan Sweeney eine solche Freundlichkeit besaß?
Er würde ein paar Bilder kaufen, das war klar. Genug, daß der Stolz des Künstlers gewahrt war und er ein, zwei warme Mahlzeiten in den Bauch bekam. Diese Geste beeindruckte sie, und zwar mehr als all die Stipendien und Schenkungen, die Worldwide sicher alljährlich verteilen ließ.
Es kümmerte ihn, wie es anderen Menschen erging. Diese Erkenntnis beschämte und erfreute sie. Das Schicksal der kunstschaffenden Menschen war für ihn von ebensolcher Bedeutung wie die Kunst.
Sie kehrte in sein Büro zurück, räumte auf und dachte darüber nach, wie sich der neue Aspekt von Rogans Persönlichkeit mit all seinen anderen Seiten verbinden ließ.
Vierundzwanzig Stunden später saß Maggie auf dem Rand ihres Betts in ihrem Zimmer in Rogans Haus. Sie hatte den Kopf zwischen die Knie gelegt und verfluchte sich, weil ihr so unendlich übel war. Es war ihr peinlich, auch nur sich selbst gegenüber einzugestehen, daß sie von Lampenfieber geschüttelt war. Einem solchen Lampenfieber, daß sie sich bereits hatte übergeben müssen und daß sie unter heftigen Schüttelfrostattacken litt.
Es ist egal, sagte sie sich zum tausendsten Mal. Es ist vollkommen egal, was irgendwer von meinen Werken hält. Einzig meine Meinung zählt.
O Gott, o Gott, weshalb habe ich das nur zugelassen, daß man meine Arbeit derart auf die Probe stellt?
Langsam und vorsichtig hob sie den Kopf – und wurde von einer Woge der Übelkeit überrollt, die sie mit den Zähnen knirschen ließ. Der Spiegel am anderen Ende des Raums warf ihr jämmerliches Bild zu ihr zurück.
Ihre Haut hob sich gespenstisch weiß von der schwarzen Spitze ihrer Unterwäsche ab. Ihre blutunterlaufenen Augen standen in grausigem Kontrast zu ihrem käsigen Gesicht. Stöhnend wandte sie sich ab.
Sie sah einfach entsetzlich aus. Sie würde sich blamieren wie nie zuvor. In Clare hatte sie es doch immer gut gehabt, oder etwa nicht? Sie gehörte aufs Land, wo sie allein und unabhängig war. Wo es nur sie gab und ihr Glas, die ruhigen Felder und den Nebel, der sich allmorgendlich über dem Boden erhob. Und genau dort wäre sie jetzt, hätte Rogan Sweeney sie nicht mit all seinen schönen Worten in Versuchung geführt.
Er ist der Teufel in Person, dachte sie, wobei sie praktischerweise vergaß, daß sie ihn allmählich mit anderen Augen sah. Er war ein Monster, das unschuldige Künstler aus Habgier in ihr Unglück trieb. Er würde sie ausquetschen wie eine Tube Farbe, und dann würde er sie wegwerfen, wenn nichts mehr aus ihr herauszuholen war.
Am liebsten hätte sie ihn umgebracht, aber leider war sie zu schwach, um auch nur aufzustehen.
Es klopfte leise an ihre Tür, und sie kniff die Augen zu. Geht weg, schrie ihr Innerstes. Geht alle weg, damit ich in Ruhe sterben kann.
Abermals klopfte es, und eine ruhige Stimme drang durch die Tür. »Maggie, meine Liebe, sind Sie bereit?«
Mrs. Sweeney. Maggie preßte die Handballen in die Augen und unterdrückte nur mit Mühe einen Schrei. »Nein, bin ich nicht.« Sie bemühte sich, ihrer Stimme einen barschen, entschiedenen Ton zu verleihen, doch mehr als ein elendes Wimmern kam nicht heraus. »Aber ich komme sowieso nicht mit.«
Mit einem Rascheln ihres Seidenkleids glitt Christine herein. »Ach, meine Liebe.
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