Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter des Schweigens

Töchter des Schweigens

Titel: Töchter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elia Barceló
Vom Netzwerk:
Chimo leise.
    »Jetzt mach mal halblang! Außerdem war das eine Hure, oder habt ihr keine Augen im Kopf?« Allmählich wird Don Telmo ernstlich böse. Alle können sehen, wie ihm die Zornesader schwillt, als er feststellt, dass sie ihm widersprechen.
    »Und was tut das zur Sache, Don Telmo?« Ana wird auch langsam wütend, und Magda stellt sich neben sie, Schulter an Schulter, damit der Direktor merkt, dass sie mit Ana einer Meinung ist. Carmen, aschfahl, bezieht hinter den beiden Stellung und vervollständigt den Block. »Oder finden Sie es etwa in Ordnung, eine Frau zu schlagen, weil sie eine Prostituierte ist?«
    »Die weiß ganz genau, worauf sie sich eingelassen hat.« Don Telmo schreit fast. »Einer anständigen Frau würde so etwas nicht passieren. Und ihr seid ein paar Kindsköpfe, kaum flügge, und schon wollt ihr alles besser wissen. Los! Ab in den Bus!«
    Die jungen Leute sehen einander an und spüren einen Strom der Solidarität, der ihnen recht gibt und sie dem Direktor mit einem Schlag überlegen macht, während der sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischt und aussieht, als sei er einem Herzinfarkt nahe.
    »Verflucht, Javi!«, schnauzt Telmo den Priester an. »Erklär du es ihnen!«
    Javier schaut den Direktor an, dann die Jugendlichen und hebt leicht die Schultern.
    »Don Telmo ist euren Eltern gegenüber für eure Sicherheit verantwortlich. Es geht nicht an, dass ihr euch in Gefahr bringt. Wenn dieser Typ bewaffnet gewesen wäre …«
    Keinem der Jugendlichen ist diese Möglichkeit in den Sinn gekommen, so etwas gibt es nur im Film.
    »Aber, Hochwürden« – Ana redet Don Javier nie mit »Hochwürden« an, und der Nachdruck, mit dem sie das Wort ausspricht, fühlt sich für ihn an wie ein Hieb in die Magengrube, »man hat uns doch ein Leben lang gepredigt, dass wir Christen denen helfen müssen, die Beistand brauchen, ohne Rücksicht auf unser eigenes Risiko …, dass wir sogar jederzeit bereit sein müssen, uns zu opfern, ist es nicht so? Und das Wort Christi ›Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan‹, hat das keine Gültigkeit mehr, wenn es sich um eine Hure handelt? Dabei hat Jesus höchstpersönlich Magdalena verteidigt …!«
    »Du bist nicht Jesus!«, brüllt Don Telmo. »Schluss jetzt! Wir fahren sofort weiter! Kein Wort mehr! Wenn ihr theologische Fragen habt, könnt ihr die im Hotel mit Don Javier erörtern, wenn ich nicht in der Nähe bin. Ihr habt es tatsächlich geschafft, mich auf die Palme zu bringen. So eine gottverdammte Rotznase!« Der Direktor scheint drauf und dran, einen Schlaganfall zu erleiden; nie haben sie erlebt, dass er so außer sich geraten wäre oder einen Fluch über die Lippen gebracht hätte.
    Mit mahnend hochgezogenen Augenbrauen gibt Don Javier ihnen zu verstehen, dass sie die Sache erst einmal auf sich beruhen lassen und gehorchen sollten. Doña Marisa setzt sich an die Spitze der Mädchengruppe und führt sie zum Bus, und als sie weit genug vom Direktor und seiner Gattin entfernt sind, flüstert sie ihnen zu: »Gut gemacht, Mädels! Telmo ist ein Macho, wie er im Buch steht, aber ihr wart sehr mutig. Ich bin sehr stolz auf euch!«
    Hinter ihnen fasst Doña Loles ihren Mann beim Arm und versucht, ihn zu beschwichtigen: »Du lieber Himmel, Telmo, was für ein Auftritt! Was ist denn los mit dir? Die Kinder wollten doch nur helfen. Sie hätten sich nicht einmischen dürfen, das stimmt schon, aber …«
    »Würdest du bitte den Mund halten?«, schneidet er ihr knurrend das Wort ab.
    Ana, Magda und Carmen nehmen die hintersten Plätze im Bus ein, um nebeneinander sitzen und den Vorfall besprechen zu können. Die anderen, die nichts davon mitbekommen haben, weil sie auf dem Spielplatz waren, flachsen über Remes neuerdings so entrückte Miene und stellen Spekulationen darüber an, was ihr widerfahren sein könnte, nachdem einige von ihnen schon erfolglos versucht haben, sie auszufragen.
    »Es ist, als ob ihr die Jungfrau erschienen wäre«, bemerkt Sole.
    »Ja, ja … die Jungfrau … mit Bart«, sagt Mati, die auf der Suche nach einem freien Platz in diesem Moment vorbeigeht. »Manchmal bist du wirklich schwer von Kapee, Sole.«
    Sole packt Candela beim Arm, die sich dann zu ihr setzt, um sie zu beruhigen und ihr zu versichern, dass niemand sie für schwer von Kapee hält außer Mati, dieser Giftspritze, die keine Gelegenheit auslässt, die Luft zu verpesten.
    Marga lässt sich neben Reme nieder, die ihre

Weitere Kostenlose Bücher