Töchter des Schweigens
uns.« Candela lächelte. »Kommen wir zum Geschäft.«
In den folgenden zehn Minuten lauschte Manolo aufmerksam Candelas Vorschlag, dachte weitere fünf Minuten darüber nach, und dann stand er auf, griff wieder nach seinem Helm und den Schlüsseln, hielt ihr die Tür auf und verließ mit ihr das Büro.
1974
Der lange weiße Strand liegt fast menschenleer unter dem abnehmenden Mond, nur im Bereich des Hotels sitzen hier und da Grüppchen junger Leute um ein Lagerfeuer und spielen Gitarre. Es riecht nach Meer, nach Sommernacht, nach weit offener Zukunft.
Javier und Marisa wandern barfuß, schweigend, Hand in Hand am Ufer entlang, lächeln dem Himmel und den Wellen zu, fixieren das Licht des Leuchtturms, während sie sich immer mehr dem Vorsprung nähern.
Schließlich erreichen sie die ersten Felsen, setzen sich in den Sand, das Gesicht dem Meer und dem aufsteigenden Mond zugewandt, der die Sterne am Himmel verdrängt wie ein durch stilles Wasser gleitendes Boot.
»Ich wünschte, diese Nacht ginge nie zu Ende, Marisa«, flüstert Javier und legt ihr behutsam den Arm um die Schultern, als fürchte er, abgewiesen zu werden. Sie bettet den Kopf an seine Brust.
»Es wird noch viele geben, wenn du willst, Javi.«
»Schon bei diesem Gedanken wird mir schwindlig.«
Sie lacht, hebt die Hand, streichelt seine Wange und küsst ihn.
»Ich kann es auch kaum glauben, aber du siehst ja, hier sind wir. Endlich! Wie oft ich darum gebetet habe, dass es irgendwann so weit sein möge.«
»Na hör mal, darum zu beten, dass sich ein Priester in dich verliebt!«
»Gott ist Liebe, oder nicht?«
»Ja, schon, aber nicht in dieser Form.«
»Und warum nicht? Hältst du es für böse?«
»Aber nein, wie sollte ich? Nur war es mir immer verboten. Und jetzt … das.«
Wieder küsst sie ihn, nimmt seine Hand und legt sie auf ihre Brust. Javier erstarrt.
»Du kommst sowieso schon in die Hölle …«, wispert ihm Marisa ins Ohr.
Theologengedanken kommen ihm, tausendfach gehörte Sätze über die legendäre Niedertracht weiblicher Wesen, Jezabel, Lilith, Teufelinnen, erschaffen, um die Männer auf die Probe zu stellen und sie ins Verderben zu stürzen. Aber Marisas Brust ist so fest, so warm … Wie oft hat er versucht sich vorzustellen, wie sich die Brüste einer Frau anfühlen! Jetzt weiß er es, und es ist wunderbar.
Marisas Hand schiebt sich in Javiers Schoß, streichelt seinen Penis durch den Stoff der Sommerhose, und er stöhnt unwillkürlich auf.
»Nein, um Gottes willen, Marisa, lass das, hör bitte auf, bitte …«
Aber sie hört nicht auf, und einen Augenblick später hat Javier das Gefühl, nicht mehr innehalten zu können, ein Limit überschritten zu haben, ab dem es kein Zurück mehr gibt, er wirft sich auf sie wie ein durstiger Pilger, während Marisa mit flinken Fingern seinen Gürtel löst und er auf ihrem im Sand ausgestreckten Körper nach Atem ringt.
»Marisa …«, murmelt er heiser, »Marisa … ich … ich habe das noch nie gemacht … ich weiß nicht … ist das nicht gefährlich … gefährlich für dich?«
»Keine Sorge, Javi«, sagt sie und streichelt seinen Nacken, seinen Rücken, seine Hüften. »Ich nehme die Pille.«
Erschrocken stemmt er sich hoch, um ihr im dämmrigen Mondschein ins Gesicht zu sehen.
»Mein Gott! Im Ernst?« Sie nickt, immer noch lächelnd, und blickt ihm in die Augen, die sie im Dunkeln kaum erkennen kann. »Warum? Du bist doch gar nicht verheiratet …«
»Wenn ich verheiratet wäre, wären wir jetzt nicht hier, habe ich recht?«
Javier schüttelt verwirrt den Kopf. Einerseits ist es beruhigend, keine Folgen befürchten zu müssen. Andererseits ist eine ledige Frau, die die Pille nimmt, doch unweigerlich eine …, nein, Marisa nicht. Marisa ist ein anständiges Mädchen …, was ihre Hand da allerdings gerade tut …
»Javi«, raunt sie, weil sie seinen Konflikt spürt, »ich liebe dich, verstehst du? Ich versuche nicht, dich zu verführen, es ist kein Zeitvertreib. Ich liebe dich wirklich. Für immer, wenn du willst. Um dich zu heiraten, wenn du bereit bist.«
Marisas Hände streicheln ihn auf eine Weise, die ihn durcheinanderbringt und am Denken hindert. Er hört das Blut in ihren Adern, das Pochen ihres Herzens, das Rauschen der Wellen, fühlt Marisas Haut auf seinem Bauch, vergräbt seinen Kopf wieder in ihren Locken und lässt sich fortreißen von einem Wirbelsturm, so unbändig, frei und wild wie die Natur selbst. Flüchtig denkt er noch, dass Gott es
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