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Töchter des Schweigens

Töchter des Schweigens

Titel: Töchter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: barcelo
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hat sie mir gesagt.«
    »Wie viel … wie viel Zeit bleibt ihr noch?«
    Teresa zuckte wieder mit den Schultern.
    »Tage. Vielleicht eine Woche … das ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall, bis sie sich entschließt. Wir haben das schon vor längerer Zeit vereinbart.«
    »Bringst du dich damit nicht in Schwierigkeiten?«
    »Ich glaube nicht. Aber es ist mir egal. Ich schulde es ihr nach einer lebenslangen Freundschaft. Mach dir keine Gedanken, Rita, das ist meine Sache. Kümmere du dich um sie, hilf ihr. Den Rest übernehme ich.«
    Stumm gingen sie zurück in die Klinik, Teresa gab ihr einen Pullover, und sie fuhren in die dritte Etage. Candela war allein in einem Zweibettzimmer, von dem man einen Blick auf El Cid hatte, den höchsten Berg der Gegend, mit seinen Katzenöhrchen und der dunklen Höhle am Seitenhang.
    »Na?«, begrüßte sie die beiden. »Genug getratscht?«
    Rita gab keine Antwort. Sie trat zum Bett und küsste Candela auf den Mund.
    »Keine Küsse, bitte«, sagte Teresa mit besorgter Miene. »Es ist ansteckend.«
    »Der Krebs?«, fragte Candela und bemühte sich, witzig zu klingen.
    »Die Lungenentzündung, Scherzkeks.«
    »Das ist mir völlig schnurz«, sagte Rita, setzte sich aufs Bett und nahm Candelas Hand.
    »Wenn ihr nun schon mal beide hier seid und da ich ja nicht mehr viel Zeit zu verlieren habe, wollte ich euch bitten, für mich keinesfalls so ein New-Age-Begräbnis zu veranstalten wie für Lena. Ich stehe nicht auf diesen Firlefanz. Ich will eine anständige Messe und alles so normal wie möglich.«
    »Bist du gläubig?«, fragte Rita überrascht.
    »Was hat das denn damit zu tun? Ich bin Candela Alcántara de Frías, und alle meine Vorfahren werden sich im Grab umdrehen, wenn man mich nicht beerdigt, wie es sich gehört: Messe in der Santa-Ana-Kirche, Einäscherung, Urne in die Familiengruft. Du darfst eine Handvoll Asche behalten, wenn dir daran liegt«, sagte sie zu Rita, als ginge es darum, ein Restaurant fürs Abendessen auszusuchen.
    Die Freundinnen schluckten hart und wussten nicht, was sie sagen sollten.
    »Wie du willst«, sagte Teresa schließlich.
    »Würdest du uns bitte einen Moment allein lassen? Ich muss mit Marga ein paar Dinge besprechen. Später kommst du wieder, und wir treffen eine Entscheidung, in Ordnung?«
    Als Teresa gegangen war, fragte Rita sofort: »Was für eine Entscheidung?«
    »Alles zu seiner Zeit. Los, hol dir einen Stuhl und setz dich. Ich will dir ins Gesicht sehen.«
    »Hast du keine Angst?«, fragte Rita, nachdem sie ihrer Aufforderung gefolgt war.
    Candela stieß ein trockenes Lachen aus, worauf sie husten musste und ins Taschentuch spuckte.
    »Panische Angst, aber ich nehme an, das ist, wie wenn man vom höchsten Sprungbrett in eiskaltes Wasser springt. Sobald du abspringst, ist die Angst weg. Und jetzt muss ich erst einmal an andere Dinge denken.«
    »An was, zum Beispiel?«
    »Ich werde dir etwas vorschlagen, das mir sehr peinlich ist und wovor ich mich sehr fürchte, fast noch mehr als davor, zu sterben und dich nicht mehr zu sehen.« Rita senkte den Kopf und schloss fest die Augen, um die Tränen zurückzuhalten. »Ich weiß, dass ich dir hiermit einen bösen Streich spiele, aber ich schwöre dir, ich sterbe gegen meinen Willen.« Durch den Tränenschleier lächelten sie sich an. »Ich weiß, dass ich es dir wahrscheinlich früher hätte sagen müssen, damit du dir keine Hoffnungen machst, aber ich habe diese Hoffnungen gebraucht, verstehst du? Obwohl ich wusste, dass sie falsch waren, dass sie sich nicht verwirklichen lassen, ich habe diese Träume gebraucht, nachdem ich so viele Jahre vergebens geträumt hatte.« Rita nickte. »Und jetzt möchte ich dir etwas vorschlagen, aber du sollst mir nicht sofort antworten, sondern erst heute Abend, nachdem … na ja, das wirst du noch sehen. Im Augenblick ist nur wichtig, was ich dir sagen will und dass du mir jetzt noch nicht antwortest. Die Antwort, um die es mir geht, gibst du mir heute Abend, einverstanden?« Wieder nickte Rita. »Du weißt, ich habe nie jemandem gesagt, dass ich lesbisch bin und mein Leben lang in dich verliebt war wie die dümmliche Heldin eines Groschenromans. Das möchte ich vorausschicken, damit du die Bedeutung des Schrittes abschätzen kannst, den ich jetzt tun werde.« Sie machte eine Pause, trank einen Schluck Wasser und sank wieder in die Kissen, als koste sie schon der Griff zum Glas übermenschliche Anstrengung. »Ich habe keine Angehörigen mehr, sie sind mir alle

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