Töchter des Windes: Roman (German Edition)
können, überlegte Brianna jetzt. Dieser Gedanke war ihr bisher nie gekommen, doch nun dachte sie, während sie die Gartenarbeit genoß, eingehend darüber nach.
Ihre Mutter hätte die Familie verlassen können, die sie geschaffen und doch nie geliebt hatte. Sie hätte sich erneut ihrer Karriere widmen können, die ihr soviel bedeutete. Und auch wenn sie nur aus Pflichtgefühl geblieben war, war dies doch mehr, als Gray jemals zuteil geworden war.
Maeve war eine harte, verbitterte Frau; allzuoft verdrehte sie die Worte der Bibel, die sie so andächtig las, bis das Gelesene ihren Vorstellungen entsprach. Oft genug hatte sie die Regeln der Kirche wie einen Hammer benutzt. Aber sie war geblieben, was wohl das Wichtigste war.
Mit einem leisen Seufzer wandte sich Brianna der nächsten Pflanze zu. Irgendwann einmal käme die Zeit der Vergebung. Sie hoffte nur, daß sie genügend Herzensgüte dazu besaß.
»Du solltest glücklich aussehen, wenn du im Garten arbeitest, nicht besorgt.«
Brianna legte eine Hand auf ihren Hut und hob den Kopf. Als sie Grays Miene sah, erkannte sie, daß es offenbar ein erfolgreicher Tag gewesen war. An solchen Tagen vibrierte er regelrecht vor guter Laune und Energie.
»Ich habe meine Gedanken schweifen lassen.«
»Ich auch. Aber dann bin ich aufgestanden, habe aus dem Fenster gesehen, dich hier unten entdeckt, und mit einem Mal habe ich nur noch an dich gedacht.«
»Ein herrlicher Tag für die Gartenarbeit. Und du hast bereits seit dem Morgengrauen auf deinem Computer herumgetippt.
« Mit einer schnellen und seltsam zärtlichen Bewegung band sie einen weiteren Pflanzenstengel fest. »Und, kommst du gut voran?«
»Unvorstellbar gut.« Er hockte sich neben sie und atmete den Duft der Blumen ein. »Ich komme mit dem Tippen kaum nach. Ich habe heute eine liebliche junge Frau umgebracht.«
Sie brach in lautes Lachen aus. »Was dir offenbar durchaus gefallen hat.«
»Ich habe sie wirklich gern gehabt, aber sie mußte gehen, denn ihre Ermordung führt zu einem Aufschrei der Empörung bei allen Beteiligten, und so wird der Mörder schließlich zur Strecke gebracht.«
»Ist sie in der Ruine gestorben, in der wir gewesen sind?«
»Nein, das war jemand anderes. Sie wurde im Burren, in der Nähe des Druidenaltars, von ihrem Schicksal ereilt.«
»Oh.« Unweigerlich erschauderte Brianna. »Ich habe den Ort immer sehr gemocht.«
»Ich auch. Er hat sie lang ausgestreckt auf den obersten Stein gelegt, als wäre sie ein Opfer für irgendeinen blutrünstigen Gott. Natürlich nackt.«
»Natürlich. Und ich nehme an, daß irgendein unglückseliger Tourist sie finden wird.«
»Sie wurde bereits gefunden. Von einem amerikanischen Studenten, der mit dem Rucksack auf Europareise ist.« Gray schnalzte mit der Zunge. »Ich denke, daß ihn das Erlebnis nachhaltig beeindruckt hat.« Er beugte sich vor und bedachte ihre Schulter mit einem sanften Kuß. »Und, wie hast du den Tag verbracht?«
»Nicht besonders aufregend. Heute morgen habe ich das nette frischverheiratete Paar aus Limerick verabschiedet, und dann habe ich die amerikanischen Kinder gehütet, damit ihre Eltern einmal ausschlafen konnten.« Mit ihren Adleraugen entdeckte sie ein winziges Unkrautbüschel und riß es gnadenlos aus dem Beet. »Sie haben mir beim Brötchenbacken geholfen.
Anschließend hat die ganze Familie einen Ausflug nach Bunratty gemacht, ins Museumsdorf. Sie sind noch gar nicht lange wieder da. Außerdem erwarte ich heute abend eine weitere Familie, aus Edinburgh. Die Leute waren vor zwei Jahren schon mal hier. Sie haben zwei Jungen im besten Teenageralter, und letztes Mal waren beide ein bißchen in mich verliebt.«
»Tatsächlich?« Er fuhr genüßlich mit einer Fingerspitze die Rundung ihrer Schulter nach. »Dann mache ich ihnen am besten umgehend klar, daß man gegen einen Kerl wie mich keine Chance hat.«
»Oh, ich denke, sie sind inzwischen darüber hinweg.« Als er lachte, sah sie ihn mit einem neugierigen Lächeln an. »Was ist?«
»Ich habe nur gerade daran gedacht, daß du die Jungs wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens unglücklich gemacht hast. Eine Frau wie dich finden sie kein zweites Mal.«
»Was für ein Unsinn.« Sie streckte die Hand nach einem weiteren Pflock aus. »Ich habe vorhin mit Maggie gesprochen. Vielleicht bleiben sie noch ein, zwei Wochen länger in Dublin. Aber gleich nach ihrer Rückkehr findet Liams Taufe statt. Murphy und ich sollen Paten sein.«
Er setzte sich in den Schneidersitz.
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