Töchter des Windes: Roman (German Edition)
Ungehörigkeit zu entschuldigen. »Ich hole Ihnen Ihren Tee.«
»Das eilt nicht. Wie ich hörte, haben Sie noch einen Kuchen im Ofen.«
Sie sah ihn reglos an. »Das war eine Lüge. Im übrigen steht Ihnen mein Haus offen, mein Privatleben jedoch nicht.«
Er nickte. »Auch wenn es keine besonders lobenswerte Angewohnheit ist, spioniere ich den Menschen gern hinterher. Sie sind aufgeregt, Brianna. Vielleicht sollten Sie selbst eine Tasse Tee trinken, damit es Ihnen wieder besser geht.«
»Ich habe bereits Tee getrunken, vielen Dank.« Mit immer noch starren Schultern ging sie durch den Raum und wollte gerade an ihm vorbei, als er sie mit einer sanften Berührung ihres Armes daran hinderte. Sein Blick verriet Neugier – worüber sie sich ärgerte – und Mitgefühl – was ihr ebenso ungelegen kam.
»Die meisten Schriftsteller haben ein ebenso offenes Ohr wie ein guter Barkeeper.«
Sie zog sich unmerklich von ihm zurück. »Ich habe noch nie verstanden, weshalb manche Menschen es als notwendig erachten, ihre persönlichen Probleme mit dem Mann zu erörtern, der ihnen ihr Bier serviert. Ich bringe Ihnen den Tee ins Wohnzimmer. In der Küche wäre Gesellschaft augenblicklich störend für mich – ich habe zuviel zu tun.«
Gray fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, als sie entschlossenen Schrittes das Wohnzimmer verließ. Nur selten, so mußte er sich eingestehen, hatte ihn jemand derart unverblümt in seine Schranken verwiesen wie diese Frau.
Brianna konnte es dem Amerikaner nicht verübeln, daß er neugierig war. Schließlich war sie selbst auch nicht frei davon. Es gefiel ihr, etwas über die Menschen in Erfahrung zu bringen, die sie bei sich beherbergte, und sie hörte gern zu, wenn jemand über sein Leben oder seine Familie sprach. Vielleicht war es unfair, aber über ihre eigene Familie sprach sie lieber nicht. In der Rolle der Zuhörerin fühlte sie sich wohler, da sie ihr sicherer erschien.
Sie machte ihm keine Szene wegen seiner Ungehörigkeit, denn die Erfahrung hatte sie gelehrt, daß sich ein Problem nie durch Zornesausbrüche lösen ließ. Geduld, gute Manieren und ein ruhiger Ton waren wesentlich wirksamere Waffen gegen einen Streit. Sie hatten ihr während des Abendessens geholfen, und am Ende der Mahlzeit hatte sie den Eindruck gehabt, daß sie wieder die Wirtin und Gray wieder zahlender Gast in ihrem Zuhause war. Seine beiläufige Einladung, mit ihr in den Pub zu gehen, hatte sie ebenso beiläufig abgelehnt. Statt dessen hatte sie eine angenehme Stunde mit dem Schluß seines Buches zugebracht.
Nun, nachdem das Frühstück serviert und der Abwasch erledigt war, bereitete sie sich auf die Fahrt zu ihrer Mutter vor. Maggie würde bestimmt böse, wenn sie erführe, daß Brianna wieder einmal einen ganzen Vormittag für Maeve opferte.
Aber ihre Schwester verstand einfach nicht, daß es einfacher und auf die Dauer weniger nervenaufreibend war, wenn sie das Bedürfnis ihrer Mutter nach Aufmerksamkeit von Zeit zu Zeit befriedigte. Wenn sie die Überwindung außer acht ließ, die es sie kostete, waren es schließlich nur ein paar Stunden ihres Lebens, die sie ihr gab.
Vor kaum einem Jahr noch, ehe Maggies Erfolg den Kauf eines eigenen Hauses und die Bezahlung einer Gesellschafterin für Maeve ermöglicht hatte, hatte Brianna vierundzwanzig Stunden am Tag nach der Pfeife ihrer Mutter getanzt, ihre eingebildeten Krankheiten kuriert und sich endlose Beschwerden über die eigenen zahllosen Fehler angehört.
Und sich in regelmäßigen Abständen daran erinnern lassen müssen, daß sie von Maeve nur aus Pflichtgefühl auf die Welt gebracht worden war.
Was Maggie nicht verstehen konnte und was Brianna immer noch Schuldgefühle vermittelte, war ihre Bereitschaft, jeden Preis für das Glück zu bezahlen, die alleinige Herrin von Blackthorn Cottage zu sein.
Heute schien endlich einmal wieder die Sonne, und die sanfte Brise enthielt einen ersten Hinweis darauf, daß irgendwann in weiter Ferne der Frühling kam. Das Wissen, daß das milde Wetter nicht von Dauer wäre, machte die strahlende Helligkeit und die weiche Luft noch kostbarer für sie, und um beides richtig zu genießen, kurbelte sie die Scheiben ihres alten Fiats herunter und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Sobald ihre Mutter eingestiegen war, müßte sie die Fenster allerdings wieder schließen und die kaum funktionstüchtige Heizung anstellen, das war klar.
Sie warf einen fast neidlosen Blick auf den hübschen kleinen Mercedes,
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