Töchter des Windes: Roman (German Edition)
ich mich gezwungen, einen Mord zu begehen. Tja, wenn Sie nun schon mal hier sind, kommen Sie rein.«
»Gastfreundschaft scheint bei Ihnen in der Familie zu liegen.«
»Tut sie nicht.« Jetzt lächelte sie. »Brianna hat die ganze Nettigkeit abgekriegt. Hören Sie«, sagte sie beim Öffnen der Tür, »fassen Sie ja nichts an, sonst mache ich meine Drohung wahr und breche Ihnen Ihre zarten Fingerchen.«
»Sehr wohl, Ma’am. Phantastisch.« Sobald er die Werkstatt betreten hatte, begann er seine Entdeckungstour, trat an die Arbeitsbänke, sah in die Regale und kroch regelrecht in die Öfen hinein. »Sie haben in Venedig gelernt, nicht wahr?«
»Habe ich.«
»Und was hat überhaupt Ihr Interesse an der Glasbläserei
geweckt? Gott, ich hasse es, wenn man mir derartige Fragen stellt. Nehmen Sie’s mir nicht übel.« Er lachte über sich selbst und sah sich die Glasmacherpfeifen an. Vorsichtig schaute er sich nach ihr um. »Ich bin größer als Sie.«
Sie nickte. »Dafür bin ich gemeiner.« Aber wenigstens nahm sie eine der Zangen und gab sie ihm.
Er wog sie in der Hand und schwenkte sie herum. »Großartige Mordwaffe.«
»Das merke ich mir für das nächste Mal, wenn mich jemand bei der Arbeit stört.«
»Also, wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor?« Er warf einen Blick auf den Berg Zeichnungen, der auf einem der Tische lag. »Sie haben eine Idee und skizzieren sie?«
»Meistens.« Sie nippte an ihrem Tee und unterzog ihn einer eingehenden Musterung. Wenn sie ehrlich war, sehnte sie sich beim Anblick seiner geschmeidigen, lockeren Gestalt nach ihrem Skizzenblock. »Und, Lust auf eine kleine Demonstration?«
»Jederzeit. Obwohl es hier bestimmt ziemlich heiß wird, wenn der Ofen brennt. Also, hier schmelzen Sie Ihr Glas, und dann?«
»Dann suche ich mein Arbeitsmaterial zusammen«, setzte sie an, und während der nächsten dreißig Minuten erklärte sie jeden einzelnen Arbeitsschritt, der erforderlich war, bis man ein mundgeblasenes Gefäß erhielt.
Dieser Mann ist voller Fragen, dachte sie. Faszinierende Fragen, gestand sie ein, Fragen, die einen dazu brachten, über die Erklärung der Technik hinauszugehen und die künstlerischen Vorstellungen zu erörtern, die man mit der Arbeit verband. Normalerweise hätte sie sich wohl auf eine kurze Führung durch ihre Werkstatt beschränkt, aber seine Begeisterung riß sie einfach mit. Statt daß sie ihn eilig abwimmelte, merkte sie, daß sie seine Fragen beantwortete, ihm Dinge zeigte und lachend seine Scherze erwiderte.
»Machen Sie so weiter, und ich stelle Sie als Gehilfen ein.« Amüsiert rieb sie sich den Bauch. »Aber kommen Sie erst und trinken Sie einen Tee mit mir.«
»Sie haben nicht zufällig ein paar von Briannas Plätzchen da?«
Maggie zog die Brauen hoch. »Habe ich.«
Einen Augenblick später saß Gray vor einem Teller Ingwerplätzchen an Maggies Küchentisch. »Sie sollte die Dinger verkaufen«, sagte er mit vollem Mund. »Dann wäre sie innerhalb kürzester Zeit eine reiche Frau.«
»Statt dessen schenkt sie sie lieber den Kindern im Dorf.«
»Es überrascht mich, daß sie keine eigenen Kinder hat.« Er wartete eine Sekunde, ehe er weitersprach. »Bisher habe ich noch keine Spur von einem Verehrer oder so gesehen.«
»Dabei sind Sie niemand, der leicht irgend etwas übersieht, nicht wahr?«
»Das gehört zu meinem Beruf. Sie ist eine schöne Frau.«
»Da widerspreche ich Ihnen nicht«, sagte Maggie, während sie kochendes Wasser in die vorgewärmte Teekanne goß.
»Da Sie es mir offenbar nicht von sich aus verraten, muß ich wohl direkter werden«, murmelte er. »Gibt es nun jemanden oder nicht?«
»Fragen Sie sie doch selbst.« Maggie stellte die Kanne auf den Tisch und runzelte mißmutig die Stirn. Oh, er hatte das Talent, einem einfach alles aus der Nase zu ziehen. »Nein«, schnauzte sie und knallte einen Becher vor ihm auf den Tisch. »Es gibt niemanden. Sie weist sie alle zurück. Offenbar kümmert sie sich lieber um ihre Gäste oder rennt jedesmal, wenn unsere Mutter auch nur niest, nach Ennis, um nach ihr zu sehen. Selbstaufopferung ist etwas, was unsere Heilige Brianna bis zur Perfektion beherrscht.«
»Sie machen sich Sorgen um sie«, murmelte Gray. »Was belastet sie, Maggie?«
»Das ist eine reine Familienangelegenheit. Reden wir nicht
davon.« Sie servierte den Tee und sank seufzend auf einen Stuhl. »Woher wissen Sie, daß es überhaupt etwas gibt, das sie belastet?«
»Ich sehe es ihr an. Ihre Augen. Genau wie es im
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