Töchter des Windes: Roman (German Edition)
körperlich begegnet war.
Vielleicht war sich eine Frau nur beim ersten Mal ihrer selbst derart bewußt, vielleicht lagen nur beim ersten Mal Leib und Seele derart bloß. Und vielleicht, dachte sie, war der Augenblick deshalb um so überwältigender und um so kostbarer für sie, weil sie älter als die meisten Frauen war.
Er wollte sie. Brianna schloß die Augen und gab sich ganz dem warmen Gefühl der Freude hin. Ein schöner Mann mit einem schönen Geist und einem freundlichen Herzen wollte sie.
Sie kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo er sie, zwei gefüllte Champagnergläser in den Händen, die Jeans, mit offenem Reißverschluß, lässig übergestreift, bereits zu erwarten schien. Seine Augen spiegelten den sanften Schimmer der Kerzen wieder, als er in Richtung des Bettes sah. Es wies ein frisches Laken auf, und ans Fußende hatte er eins ihrer weißen Flanellnachthemden gelegt.
»Ich hoffe, daß du es tragen wirst«, sagte er, als ihr Blick auf das züchtige, altmodische Nachthemd fiel. »Seit der ersten Nacht habe ich mir immer wieder vorgestellt, wie es wäre, dir dieses Nachthemd auszuziehen. Ich habe dich vor mir gesehen, wie du, eine Kerze in der Hand und einen Wolfshund neben dir, die Treppe heruntergekommen bist, und wurde vor Verlangen fast verrückt.«
Sie strich über einen der Ärmel und wünschte sich sehnlichst, sie hätte ein Seiden- oder ein Spitzengewand, etwas, das das Blut eines Mannes in Wallung geraten ließ. »Ich fürchte, es ist nicht besonders verführerisch.«
»Da irrst du dich.«
Da sie nichts anderes hatte und ihm das Nachthemd zu gefallen schien, zog sie es über den Kopf, wobei sie gleichzeitig das Handtuch von ihren Hüften gleiten ließ. Als sie sein unterdrücktes Stöhnen vernahm, sah sie ihn mit einem unsicheren Lächeln an.
»Was für ein Bild. Laß das Handtuch«, sagte er, denn ordentlich wie sie nun einmal war, bückte sie sich bereits danach. »Komm her. Bitte.«
Sie trat einen Schritt auf ihn zu, und die Nervosität ließ ihr die Kehle eng werden, als sie eins der Champagnergläser nahm. Sie nippte und merkte, daß sich die Trockenheit in ihrem Hals auch durch die prickelnde Flüssigkeit nicht lindern ließ. Er sieht mich an, dachte sie, wie wahrscheinlich ein Tiger ein Lamm ansieht, ehe er es verschlingt.
»Du hast noch gar kein Abendbrot gehabt.«
»Nein.« Mach ihr keine Angst, du Idiot, warnte er sich und unterdrückte mühsam das Verlangen, sich auf sie zu stürzen wie ein wildes Tier. Er trank einen Schluck Champagner, beobachtete sie, und immer noch wurde er ganz von seinem Verlangen nach ihr beherrscht. »Das heißt, vielleicht habe ich doch etwas Appetit. Ich dachte, wir könnten hier oben essen, zusammen. Aber jetzt . . .« Er streckte die Hand nach einer ihrer feuchten Locken aus. »Kannst du noch ein bißchen warten?«
Wieder war es ganz einfach, dachte sie. Und wieder hatte sie die Wahl. »Aufs Abendessen ja.« Sie brachte die Worte kaum hervor. »Aber nicht auf dich.«
Und noch während sie sprach, schmiegte sie sich, als wäre es die natürlichste Sache der Welt, an seine Brust.
13. Kapitel
B rianna wurde dadurch geweckt, daß ihr ein Ellbogen in die Rippen stach. Das erste, was sie am Morgen nach ihrer ersten Liebesnacht zu sehen bekam, war der Fußboden neben dem Bett, und wenn Gray auch nur noch einen Zentimeter näherrückte, verlöre sie glatt das Gleichgewicht und läge, statt den Boden nur zu sehen, auch noch darauf.
Nur wenige Sekunden und ein fröstelndes Zittern in der kühlen Morgenluft, und sie merkte, daß nicht ein Zentimeter ihres Körpers zugedeckt war.
Gray hingegen hatte sich, gemütlich wie eine Raupe in einen Kokon, in die warme Decke gehüllt.
Er hatte sich genüßlich auf der Matratze ausgestreckt und schlief wie ein Toter. Sie wünschte, sie hätte sagen können, seine kuschelige Haltung und der Ellbogen, der inzwischen in der Nähe ihrer Niere lag, wären Kennzeichen liebevoller Fürsorglichkeit, aber wenn sie ehrlich war, sprach diese Position schlicht und einfach von Gier. Und selbst als sie zögernd an ihm herumzuschieben begann, rührte er sich nicht vom Fleck.
Aha, dachte sie. Offenbar war der Kerl es nicht gewohnt zu teilen.
Sie hätte weiter um ihren Anteil an der Decke ringen können — allein aus Prinzip —, aber durchs Fenster fiel bereits der morgendliche Sonnenschein, und wie jeden Tag hatte sie eine Menge zu tun.
Um ihn nicht zu stören, glitt sie möglichst lautlos aus dem Bett, obgleich, wie sie
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