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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht
Autoren: T Hoag
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er nicht gerade in ein großes Stück Alufolie eingewickelt unter einer Betonbrücke saß. Er zog dann eine warme Jacke an, stieg auf das Dach der Chens und betrachtete die Lichter der Stadt. Er mochte den weichen Schimmer, den sie verbreiteten, wenn vom Meer her der Nebel in der Luft hing. Wenn er so auf dem Dach stand, genoss er sogar das Gefühl der Einsamkeit.
    Er erhob sich und unterdrückte ein Stöhnen, als sich seine steifen Gelenke und Sehnen widerstrebend streckten. Er musste in Bewegung bleiben, sonst konnte er sich bald überhaupt nicht mehr rühren, und dann würde vielleicht irgendein Junkie über ihn stolpern und ihm eins überziehen, um sich seine Rettungsdecke zu schnappen.
    Er überlegte, ob es nicht am besten wäre, wenn er die Negative einem Journalisten oder einem Fernsehsender zuspielen würde. Dann könnten alle Angelinos gemeinsam herausfinden, was es damit auf sich hatte, gemeinsam entscheiden, wer wen warum bezahlte. Vielleicht ließe sich aus dem Albtraum, den er gerade durchlebte, eine Reality-Show machen. Er sollte höchstpersönlich das Exposé dazu schreiben, gleich hier und jetzt, und es an einen Agenten oder Produzenten schicken oder wie immer das funktionierte.
    »Scout an Ranger. Scout an Ranger. Ranger, hörst du mich?«
    Die gedämpfte Stimme kam aus Jaces Jackentasche. Er kämpfte gegen den Drang an zu antworten.
    »Melde dich, Ranger!«, flehte Tylers Stimme. »Jace! Melde dich! Ich stecke in der Klemme!«
    Parker packte den Jungen bei den Schultern und tat so, als würde er ihn schütteln. Tyler legte die Hände um seinen Hals und gab Geräusche von sich, als würde er gewürgt.
    »Tyler!«
    »Ja…«
    Er legte die Hand über den Mund und erstickte den Laut.
    Parker nahm das Walkie-Talkie. »Ich will die Negative oder der Kleine stirbt.«
    »Lass ihn in Ruhe, du Arschloch!«
    »Ich will die Negative!«, brüllte Parker.
    »Du bekommst die Negative, wenn ich meinen Bruder bekomme.«
    Parker sagte ihm, er solle sich in einer halben Stunde auf der untersten Ebene der Tiefgarage beim Bonaventure Hotel einfinden.
    »Wenn du ihm etwas tust«, drohte Damon, »bringe ich dich um.«
    »Wenn du noch mal Mist baust wie am Pershing Square«, sagte Parker, »bringe ich euch beide um.«
    Er schaltete das Walkie-Talkie aus und sah seinen kleinen Komplizen an.
    »Das war gemein«, sagte Tyler.
    Parker nickte. »Ja, stimmt, aber wenn du ihn bloß angefunkt und gesagt hättest, ihr müsst euch treffen, weil hier ein Cop neben dir sitzt und dir sagt, dass du das tun sollst, glaubst du, dass er dann gekommen wäre?«
    »Nein.«
    »Meinst du, dass er sauer ist?«
    »Ja.«
    »Ist es dir lieber, wenn er sauer ist oder tot?«
    Der Junge schwieg einen Augenblick, während Parker den Motor anließ und vom Vordereingang des Hotels wegfuhr.
    »Am liebsten wäre es mir, wenn das alles nicht passieren würde«, sagte Tyler.
    »Ich weiß.«
    Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas, während sie darauf warteten, dass Jace aus der Dämmerung auftauchte.
    »Kev?«, sagte der Junge mit leiser, unsicherer Stimme.
    »Ja, Scout?«
    »Als ich Sie vorhin gefragt habe, was mit Jace und mir passiert… ich meine, wenn es vorbei ist. Werden Jace und ich zusammenbleiben dürfen?«
    »Was meinst du?«
    »Jace hat immer gesagt, dass die vom Jugendamt kommen, wenn jemand das mit uns mitkriegt, und dann wird alles ganz anders.«
    »Du bist mein Partner«, sagte Parker. »Ich würde dich nie verpfeifen.«
    »Aber dieser andere Detective weiß, dass ich bei den Chens wohne, und er weiß, dass Jace mein Bruder ist. Und er ist stinksauer auf Sie.«
    »Mach dir seinetwegen keine Sorgen, mein Junge. Bradley Kyle wird sich bald über eine Menge anderer Dinge den Kopf zerbrechen müssen. Glaub mir.«
    Tyler richtete sich plötzlich kerzengerade auf. »Da ist Jace!«
    »Okay. Duck dich«, sagte Parker und legte den Gang ein. »Er soll dich nicht sehen, bevor wir unten sind.«
    Sie rollten hinter Jace her in die Tiefgarage, folgten ihm mit sicherem Abstand von Ebene zu Ebene zu Ebene.
    »Hat dein Bruder eine Waffe?«, fragte Parker.
    »Nein, Sir.«
    »Wurfsterne?«
    »Nein, Sir.«
    »Kennt er sich damit aus, wie man jemanden allein durch die Kraft der Gedanken umbringt?«
    »Gibt es Leute, die das können?«, fragte Tyler.
    »Ich hab's in einem Ninja-Film gesehen.«
    Der Junge kicherte. »Das ist doch nicht echt.«
    »Wahrnehmung ist Wirklichkeit«, sagte Parker.
    Auf den Stellplätzen der untersten Ebene standen nur wenige Autos.
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