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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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versuchte sich loszureißen, auf die Füße zu kommen. Der Mann klammerte sich an die Tasche.
    »Verfluchter kleiner Wichser!«
    Jace stieß mit aller Kraft den Ellbogen nach hinten und traf den Kerl ins Gesicht. Das Krachen des zersplitternden Knochens war beinahe so laut wie das des Schusses, und der Kerl lockerte fluchend für den Bruchteil einer Sekunde seinen Griff. Jace beugte sich vor, schüttelte den Riemen der Tasche ab und hechtete auf die Mauer zu.
    Der Verfolger bekam mit einer Hand Jaces Regenjacke am Rücken zu fassen und holte mit der anderen weit aus. Das billige Teil zerriss wie ein nasses Papiertaschentuch. Der Griff der Pistole prallte von Jaces Helm ab. Vor seinen Augen tanzten Sterne, aber er gab nicht auf.
    Über die Mauer! Über die Mauer!
    Er warf sich dagegen, zog sich hoch und schwang sich über die Kante, kopfüber landete er auf der anderen Seite und rollte durch Schlamm und Wasserpfützen und Abfall.
    In dem Durchgang zwischen den beiden Häusern war es stockfinster, nur am Ende des Tunnels ein schwacher silbriger Lichtschein, der von einer entfernten Straßenlaterne kam. Er rannte auf das Licht zu, ohne damit zu rechnen, dass er es jemals erreichen würde, er vermeinte bereits den scharfen, brennenden Schmerz zu spüren, wenn die Kugel seinen Rücken traf, seinen Körper durchschlug, Organe und Adern zerfetzte. Wahrscheinlich wäre er tot, bevor er auf dem Boden auftraf.
    Aber er lief weiter.
    Die Kugel kam nicht.
    Er erreichte das Ende des Durchgangs, wandte sich nach links und rannte an der dunklen Häuserreihe entlang, sprang über Sträucher und niedrige Büsche, die von halbherzigen Verschönerungsversuchen zeugten. Als er nach dem Sprung über eine Hecke auf dem Boden landete, gab sein verletzter Knöchel unter ihm nach, und er fiel hin, der Kies schürfte ihm die Handflächen auf, die er vorgestreckt hatte, um den Sturz abzufangen. Er wartete darauf, hinter sich Schritte zu hören, den Knall eines weiteren auf seinen Rücken gerichteten Schusses, aber nichts geschah.
    Jace erhob sich, keuchend, benommen, und taumelte den schmalen Durchlass zwischen zwei Häusern entlang. Er blieb stehen und sank gegen die raue Betonwand, ihm war nach Kotzen zumute, aber er hatte Angst, das Geräusch könnte ihn an seinen Verfolger verraten und ihn das Leben kosten.
    Weit vorgebeugt, hielt er sich die Hände vor den Mund und versuchte, langsam zu atmen. Sein Herz schlug so schnell, als würde es jeden Moment aus seiner Brust springen und auf dem Boden zappeln und sich winden wie ein an Land gezogener Fisch. In seinem Kopf drehte sich alles. Sein Gehirn fühlte sich an, als würde es in einer Kloschüssel herumgewirbelt und gleich in den Abfluss gesaugt werden.
    Oh Gott. Oh mein Gott.
    Der Gott, an den er nicht glaubte.
    Jemand versucht, mich umzubringen.
    Hilf mir.
    Er zitterte am ganzen Leib, plötzlich war ihm kalt, plötzlich spürte er den eisigen Regen, der auf ihn niederprasselte, seine Kleidung durchdrang. In seinem Knöchel pochte und brannte es. In seinem Fuß ein noch stechenderer Schmerz. Er tastete an der nassen Socke entlang und zog eine Glasscherbe aus seiner Fußsohle. Er kauerte sich auf den Boden, schlang die Arme um seine Beine und lehnte den Kopf gegen die Wand.
    Er hatte immer noch das Funkgerät an den Oberschenkel geschnallt. Er könnte versuchen, die Zentrale anzufunken, aber Eta war inzwischen längst zu Hause bei ihren Kindern. Wenn er ein Handy gehabt hätte, hätte er die Polizei rufen können. Aber er konnte sich kein Handy leisten, und er hatte kein Vertrauen zur Polizei. Er hatte zu niemandem wirklich Vertrauen außer zu sich selbst. Das war immer so gewesen.
    An die Stelle des Schwindelgefühls trat Erschöpfung, eine Nachwirkung des anfänglichen Adrenalinstoßes. Er lauschte angestrengt, ob irgendetwas außer seinem Atem zu hören war, außer seinem Pulsschlag, der ihm in den Ohren dröhnte. Er versuchte festzustellen, ob Geräusche von seinem Verfolger zu vernehmen waren. Er versuchte darüber nachzudenken, was er als Nächstes tun sollte.
    Am besten blieb er, wo er war. Er befand sich außer Sichtweite, und es gab einen Fluchtweg, falls der Angreifer ihn aufspürte. Es sei denn, sie waren zu zweit – die Angreifer, Plural. Einer an jedem Ende des Tunnels, dann war er geliefert.
    Er dachte an Tyler, der sich inzwischen fragen würde, wo er blieb. Nicht dass der Kleine irgendwo allein herumsäße und wartete. Tyler war nie allein. Ein kluger kleiner weißer Junge,

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