Tödliche Aktien
allerdings ziemlich eklig sind. Übrigens nennt man das Ganze auch Teledildonik.«
»Wow«, meinte Greg mit seiner falschen »Naiver Amerikaner besucht London«-Stimme. »Und was für periphere Geräte braucht man dazu?«
Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Wir müssen los«, sagte ich zu Richard. »Karen hat das Abendessen bald fertig. Komm!«
Vor dem Pub verabschiedeten wir uns von Greg. Bis zu mir war es nur ein Fußweg von fünfzehn Minuten.
»Netter Bursche«, meinte Richard.
»Das ist er.«
Eine Weile schwiegen wir.
»Ich habe Dad gesehen«, sagte Richard dann.
»Wann?«
»Vor einer Woche. In Oxford.«
»Wie geht es ihm?« Zu meiner Überraschung stellte ich fest, daß es mich wirklich interessierte.
»Gut. Er würde dich gern sehen.«
»Aha.«
Richard ließ es damit auf sich beruhen. Er hatte begriffen, daß in diesem Punkt nicht mit mir zu reden war. Während der letzten zehn Jahre war ich nur ein einziges Mal mit meinem Vater zusammengetroffen: auf der Beerdigung meiner Mutter. Und ich verspürte noch immer nicht den Wunsch, ihn wiederzusehen.
Bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr waren wir eine typische Professorenfamilie gewesen. Mein Vater lehrte am Oxford College Mathematik. Er war Spezialist für ein entlegenes Gebiet der Topologie. Mit fünfundzwanzig Jahren hatte er meine Mutter kennengelernt. Damals war sie eine hinreißende zwanzigjährige Studentin aus Mailand gewesen, die zu einem Sommerkurs nach Oxford gekommen war. Abgesehen von einigen Jahren, die die Familie in den Sechzigern an der Stanford University in Kalifornien zugebracht hatte, waren wir in Oxford aufgewachsen. Gelegentlich hatten meine Eltern Streit, heftige Auseinandersetzungen, die rasch wieder abflauten. Meine Mutter konnte ein beachtliches Temperament entwickeln. Aber sie verstand es, jene Atmosphäre der Liebe und Geborgenheit zu schaffen, die wir beiden Heranwachsenden brauchten, um unseren Platz in der Welt zu finden.
Doch eines Tages hatte uns unser Vater verlassen.
Weder unsere Mutter noch Richard und ich hatten das Geringste geahnt. Er hatte sich in eine seiner Doktorandinnen verliebt. Vierundzwanzig war sie – nur ein paar Jahre älter als Richard. Sie zogen in ein kleines Haus in Jericho – keine zwei Kilometer entfernt. Meine Mutter hat es nie verwunden. Nie wieder hat sie mit meinem Vater gesprochen und ich auch nicht.
Ein halbes Jahr später stellte man Brustkrebs bei ihr fest. Und nach zwei Jahren war sie tot.
Noch immer war der Zorn auf meinen Vater lebendig. Anders als Richard konnte ich ihm nicht verzeihen, was er getan hatte. Richard war toleranter, ich dagegen hatte das Temperament meiner Mutter geerbt.
Wieder gingen wir ein paar Minuten schweigend nebeneinanderher. Dann fragte Richard: »Was macht die Arbeit?«
»Sehr gut«, sagte ich. »Im letzten Jahr hatte sich der Markt erholt, und wir haben alle viel Geld gemacht. Dieses Jahr wird der Markt wohl einbrechen, und wir werden alle viel Geld verlieren. So einfach ist das. Man sollte uns einfach den Rest des Jahres freigeben, damit wir keinen Schaden anrichten können.«
Richard lachte. »Also diesmal keine Mega-Tantieme?«
»Ich werd’ schon zurechtkommen«, sagte ich. »Im allgemeinen kümmern sie sich um die Trader, die sie für eigene Rechnung arbeiten lassen.«
»Jedenfalls vielen Dank für die Hilfe im letzten Jahr.«
»Keine Ursache. Ich habe mich gefreut, daß ich was Nützliches mit dem Geld machen konnte.« Ehrlich gesagt, waren mir die Tantiemen ein bißchen peinlich. Aber wenn Harrison mir fünfzehn Millionen Dollar pro Jahr verdankte, war es andererseits verständlich, daß mir die Firma ein bißchen davon zukommen ließ. Ich wollte mich nur nicht daran gewöhnen.
»Und dein Chef läßt dir freie Hand?«
»Bob? Der ist in Ordnung. Manchmal meckert er ein bißchen, aber daran gewöhnt man sich. Allerdings kann er sich für Bondscape nicht sonderlich erwärmen.«
»Nicht?« sagte Richard besorgt. Er fürchtete wohl, sein System könnte in Verruf geraten.
»Keine Sorge, Greg und ich werden ihm schon zeigen, daß er sich täuscht. Nein, mir gefällt es bei Harrison Brothers. Da gibt es einige nette Leute: Greg, ein Bursche namens Ed, der für mich arbeitet, und noch ein paar andere.«
»Unter anderem Karen.«
»Unter anderem Karen.« Ich lächelte.
»Wie läuft es mit euch beiden?«
»Sehr gut. Mittlerweile viel besser. Ich glaube, sie ist inzwischen drüber weg.«
»Worüber? Über die Geschichte mit dem Kerl vor
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