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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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mittlerweile vertraute Landschaft. Am Vortag hatten wir nach Anleihen Ausschau gehalten, die vorübergehend aus der Reihe getanzt waren. Jetzt wollten wir nach neuen Trends suchen, die durch die Zinserhöhung ausgelöst worden waren.
    Mir fiel auf, daß die Hügelhänge praktisch überall flacher geworden waren. In besonderem Maße galt das für den amerikanischen Sektor. Der Unterschied zwischen den Renditen der Staatsanleihen mit zweijähriger und zehnjähriger Laufzeit hatte sich von 1,6 Prozent auf 1,4 Prozent verringert. Nach meiner Einschätzung würde diese Differenz nicht wieder größer werden, sondern eher weiter schrumpfen. Vor Greenspans Ankündigung hatte der US-Zinssatz zu niedrig gelegen, und es hatte ein konkretes Inflationsrisiko bestanden. Nun schien der Vorsitzende des amerikanischen Zentralbankrats entschlossen, trotz des Widerstands im Finanzministerium den Zinssatz für Kredite mit kurzer Laufzeit zu erhöhen. Wenn er bei seiner Auffassung blieb, und davon ging ich aus, dann würden dieser Zinssatz weiter steigen und die Inflationserwartungen sich langfristig verringern. Fazit: Verkaufe zweijährige Staatsanleihen und kaufe zehnjährige.
    Also verkauften wir zweijährige Anleihen für vierhundert Millionen Dollar und kauften zehnjährige für hundert Millionen Dollar. Nun brauchten wir nur noch zu warten.
    Später am Morgen rief mein Bruder an.
    »Gestern und heute habe ich zum erstenmal richtig mit Bondscape gearbeitet«, sagte ich.
    »Tatsächlich? Wie ist es gelaufen?« Ich konnte hören, wie gespannt er war.
    »Phantastisch! Es war einfach unglaublich. Als hätte ich im Inneren des Marktes gesessen und gespürt, wie er sich bewegt.«
    »Wie ging es mit der Landschaftsmetapher? Hat sie was gebracht? Oder hat sie nur gestört?«
    »Nein, sie hat sich hervorragend bewährt.« Ich war wie das Unternehmen für Finanzsoftware, mit dem Richard zusammenarbeitete, der Meinung gewesen, Bondscape müsse Diagramme der Anleihenrenditen zeigen. Richard hatte die Auffassung vertreten, eine veränderliche Landschaft würde die Information augenfälliger vermitteln, da sie dadurch in einer Form dargeboten würde, die Menschen intuitiv verstehen könnten. Wie gewöhnlich hatte er recht.
    In allen Einzelheiten beschrieb ich, wie wir mit Bondscape gearbeitet hatten. Ein paar Minuten lang hörte Richard aufmerksam zu, doch dann unterbrach er mich. »Ich muß jetzt los, um das Flugzeug nach London zu erreichen. Nachmittags habe ich eine Besprechung. Paßt es dir, wenn ich hinterher bei euch vorbeischaue? Ich müßte Karen und dich etwas fragen.«
    »Klar, Richard. Worum geht es?« Ich wurde neugierig.
    »Das ist ein bißchen schwierig«, sagte Richard. »Wenn es dir recht ist, warte ich damit bis heute abend. Wo können wir uns treffen?«
    »Wie wär’s um sieben im Windsor Castle? Da trinken wir was, und dann ißt du mit uns. Wenn du magst, kannst du bei uns schlafen.«
    »Gern, vielen Dank. Also dann bis sieben.«
    Ich freute mich auf den Abend. Bei der Entwicklung von Bondscape hatte ich eng mit ihm zusammengearbeitet. Jetzt fehlte mir der häufige Kontakt. Sein Unternehmen, FairSystems, lag in Glenrothes, einem kleinen Städtchen in der ostschottischen Provinz Fifeshire. Doch trotz der räumlichen Trennung standen wir uns sehr nahe. Alle ein oder zwei Monate trafen wir uns, meist in London, aber manchmal fuhr ich auch nach Schottland, um das Wochenende bei ihm zu verbringen.
    Ich lächelte in mich hinein. Bondscapes Erfolg unter Gefechtsbedingungen hatte Richard Freude gemacht, und mir gefiel es, meinem großen Bruder Freude zu machen.
    Auf dem Weg nach draußen fragte ich Greg, ob ich ihn zu einem Glas Wasser einladen dürfe. Er lachte, und wir schlenderten zum Wasserspender.
    Mit der Stimmung in der Aktienabteilung stand es nicht zum besten. Ein drahtiger Mann Mitte Vierzig stand an seinem Schreibtisch und schrie eine junge Frau ein paar Plätze weiter an. »Zum Teufel, Sally! Ich weiß, daß diese schottischen Arschlöcher Caremark haben. Die sind bescheuert, wenn sie nicht zu diesem Preis verkaufen. Sie sollen sie doch nur dazu bringen, den Mist an mich zu verkaufen. Mehr verlang’ ich doch gar nicht von Ihnen!«
    Das war Jack Tenko, ein farbloser, ausgebrannter Aktienhändler, den sie von New York nach London geschickt hatten, weil sie ihn da nicht mehr brauchen konnten. Heftig bearbeiteten seine Kiefer einen Kaugummi, während er die Frau giftig anstarrte.
    Sie war Anfang Zwanzig, trug das dunkle Haar

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