Tödliche Beute
sich an den Kapitän. »Danke, dass Sie mich vor Mr. Becker gerettet haben.«
Larsen seufzte laut. »Ich vermute, auch Bürokraten wie er erfüllen irgendeine nützliche Aufgabe.«
»Ähnlich wie Darmbakterien, die bei der Verdauung helfen«, erwiderte Austin.
Der Kapitän lachte und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich glaube, es ist langsam Zeit, Ihre erfolgreiche Mission zu begießen.«
»Das klingt schon besser«, sagte Austin.
7
Austin wurde an Bord der
Thor
wie ein Ehrengast behandelt. Nach den Drinks in der Kabine des Kapitäns servierte man ihm ein Festmahl und unterhielt ihn dann mit atemberaubenden Unterwasseraufnahmen aus dem Walforschungsprogramm des Schiffes. Er erhielt ein behagliches Quartier und schlief tief und fest. Am nächsten Morgen verabschiedete er sich von Larsen.
Der Kapitän schien ihn nur ungern ziehen zu lassen.
»Wir werden noch ein paar Tage vor Ort bleiben und den Kreuzer untersuchen. Falls ich jemals etwas für Sie oder die NUMA tun kann, brauchen Sie mir nur Bescheid zu sagen.«
Sie gaben sich die Hand, und Austin stieg in das Beiboot, um das kurze Stück zum Westhafen übergesetzt zu werden. Nach mehreren Wochen auf und unter Wasser war er froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren, und folgte dem gepflasterten Kai vorbei an zahlreichen Fischkuttern. Die Hauptstadt der Färöer-Inseln hieß Tórshavn, »Thors Hafen«, benannt nach dem mächtigsten der skandinavischen Götter. Trotz dieses beeindruckenden Namensgebers handelte es sich jedoch um eine eher beschauliche Ansiedlung, die auf einer Landzunge zwischen zwei geschäftigen Bootshäfen lag.
Am liebsten hätte Austin die schmalen Straßen erforscht, die zwischen den farbenfrohen alten Häusern verliefen, doch ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er sich beeilen musste, um noch rechtzeitig zu der Anhörung zu erscheinen. Seine Reisetasche ließ er in dem Hotelzimmer zurück, das Becker für ihn gebucht hatte. Er rechnete nicht damit, länger als ein oder zwei Tage auf den Färöern zu bleiben, ob es dem Bürokraten nun passte oder nicht, und so veranlasste er die Leute an der Rezeption, ihm für den übernächsten Tag einen Flug nach Kopenhagen zu buchen.
Sein Ziel lag ein Stück den Hügel hinauf in Richtung Vaglio-Platz, dem Zentrum des hiesigen Geschäftsviertels.
Einige Minuten später blieb er vor einem beeindruckenden dunklen Basaltbau aus dem neunzehnten Jahrhundert stehen. Das Schild neben dem Eingang besagte, dass er sich vor dem
raohus
, dem Rathaus, befand. Er hielt kurz inne und wappnete sich für das bevorstehende Verfahren.
Austin war Angestellter einer Bundesbehörde und wusste daher um die Risiken einer Fahrt durch bürokratische Gewässer. Womöglich würde die Rettung der Männer aus dem Bauch der
Leif Eriksson
sich noch als der einfachste Teil seiner Abenteuer auf den Färöern erweisen, grübelte er.
Der Mann am Empfang des
raohus
beschrieb ihm den Weg zum Anhörungssaal. Austin folgte einem Korridor zu einer Tür, vor der ein untersetzter Polizist stand, und nannte seinen Namen. Der Beamte bat ihn, einen Augenblick zu warten, verschwand im Innern und kehrte gleich darauf mit Becker zurück. Dieser nahm Austin beim Arm und ging mit ihm außer Hörweite.
»Danke, dass Sie gekommen sind, Mr. Austin.« Er schaute zu dem Polizisten und senkte die Stimme. »Diese Angelegenheit erfordert sehr viel Feingefühl. Ist Ihnen die Regierungsstruktur der Färöer bekannt?«
»Ich weiß lediglich, dass die Inseln Dänemark angegliedert sind, mehr nicht.«
»Korrekt. Die Inseln sind Teil des Königreichs Dänemark, seit 1948 allerdings mit Selbstverwaltung. Die Leute hier genießen weitgehende Unabhängigkeit und bewahren sich sogar ihre eigene Sprache. Bei Finanzproble-men zögern sie jedoch nicht, Kopenhagen um Geld zu ersuchen«, sagte er mit mattem Lächeln. »Dieser Vorfall hat sich zwar in den Gewässern der Färöer ereignet, aber es war ein dänisches Kriegsschiff darin verwickelt.«
»Was bedeutet, dass die SOS in Dänemark keinen Beliebtheitswettbewerb gewinnen würden.«
Becker tat diese Bemerkung mit einer lässigen Geste ab.
»Sie wissen ja, wie ich darüber denke. Diese Verrückten sollten für die Versenkung unseres Schiffs
gehängt
werden. Aber ich bin Realist. Der ganze bedauerliche Zwischenfall wäre gar nicht erst passiert, wenn die Einheimischen nicht so starrsinnig an ihren alten Bräuchen festhalten würden.«
»Sie meinen die Waljagd?«
Ȇber die moralischen
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