Tödliche Beute
Frontmotoren sind hinüber«, merkte Austin an.
»Benutz lieber die Zusatzpumpen.«
»Das
waren
die Zusatzpumpen«, sagte Zavala.
»So viel zum Thema Reservesysteme. Wo liegt das Problem?«
»Falls ich dieses Teil auf einer Hebebühne hätte, könnte ich es dir in einer Minute verraten.«
»Ich sehe hier in der Nähe leider keine Werkstatt, und außerdem habe ich meine Kreditkarte vergessen.«
»Wie sagte mein Vater doch so schön? ›Eine Stange Dynamit hat noch jeden sturen Esel überzeugt‹«, entgegnete Zavala.
Austin war bei den Kollegen der NUMA dafür berüchtigt, dass er sich durch keine Art von Notlage aus der Ruhe bringen ließ. Im Angesicht einer sicheren Katastrophe hätten die meisten Männer wohlweislich die Flucht ergriffen, doch er stellte sich gelassen jeder Herausforderung. Da er noch immer quicklebendig war, musste er über eine bemerkenswerte Mischung aus Einfallsreichtum und Glück verfügen. Wer jemals mit ihm gemeinsam in der Klemme gesteckt hatte, empfand diesen Charakterzug als beinahe beängstigend, aber Austin tat alle Klagen stets mit einem Achselzucken ab. Jetzt jedoch ließ Joe ihn spüren, wie die anderen sich sonst immer in Kurts Gegenwart fühlten. Austin presste die Lippen zu einem angespannten Lächeln zusammen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück.
»Du wärst nicht so ruhig, wenn du nicht schon einen Plan hättest«, sagte er.
Zavala zwinkerte ihm übertrieben deutlich zu und nahm einen Schlüssel, der an einer Kette um seinen Hals hing.
Er klappte einen kleinen Metalldeckel in der Mitte des Steuerpults hoch und steckte den Schlüssel in die Öffnung.
»Wenn ich den hier umdrehe und den kleinen Schalter daneben betätige, tritt ein weiteres Reservesystem in Kraft. Kleine Sprengladungen kappen alle Ballasttanks gleichzeitig, und schon geht’s aufwärts. Schlau, was?«
»Nur sofern die
Thor
nicht im Weg ist, wenn wir aus dem Wasser schießen. Wir würden sowohl das Schiff als auch uns selbst versenken.«
»Falls es dich beruhigt, drück diesen Knopf da. Er schickt eine Warnboje nach oben. Blinksignal, Sirene. Das volle Programm.«
Austin drückte den Knopf. Die Boje wurde mit vernehmlichem Rauschen ausgestoßen. Er riet ihren Passagieren, sich gut festzuhalten.
Zavala reckte den Daumen empor und grinste verschmitzt.
»Und
los!
«
Er legte den Schalter um, und alle warteten gespannt.
Das einzige Geräusch kam von Zavala, der leise auf Spanisch fluchte. »Das war wohl nichts«, stellte er verlegen fest.
»Mal sehen, ob ich das richtig verstehe. Wir befinden uns in neunzig Metern Tiefe, sind überladen, haben die Kabine voller halb toter Seeleute, und der Notschalter funktioniert nicht.«
»Du weißt wirklich, wie man einen Sachverhalt präzise beschreibt, Kurt.«
»Danke. Ich bin noch nicht fertig. Unsere beiden vorderen Tanks sind voller Wasser, die beiden hinteren voller Luft, und das bedeutet null Auftrieb. Können wir die
Lamprey
irgendwie leichter machen?«
»Ich kann die Andockvorrichtung abwerfen. Dadurch kommen wir an die Oberfläche, aber es wird kein Spaziergang.«
»Uns bleibt kaum eine andere Wahl. Ich sage den Leuten noch mal, dass sie sich festhalten sollen.«
Er gab die Anweisung nach hinten durch, schnallte sich auf dem Sitz fest und gab das Signal. Zavala schickte ein Stoßgebet zum Himmel und betätigte einen Knopf. Er hatte den Fluchttunnel vorsorglich mit einer Sprengvorrichtung versehen, um das Boot notfalls schnell von einem Wrack lösen zu können. Es gab eine gedämpfte Explosion, und die
Sea Lamprey
bewegte sich. Sie stieg einen halben Meter, dann einen, dann mehrere. Anfangs ging es nur quälend langsam voran, aber das Boot nahm immer mehr Fahrt auf und erreichte bald eine beachtliche Geschwindigkeit.
Mit dem Heck voran durchbrach die
Sea Lamprey
die Oberfläche und stürzte in einer Schaumfontäne zurück ins Wasser. Dann rollte sie haltlos von einer Seite auf die andere, so dass die Insassen wie Würfel in einem Becher umhergeschleudert wurden. Dank der vorab gestarteten Warnboje hielten sich schon mehrere kleine Boote bereit und eilten sogleich zum Ort des Geschehens. Die Besatzungen befestigten Schwimmer am Rumpf der
Lamprey
und stabilisierten sie in nahezu horizontaler Lage.
Mittels einer Schleppleine holte die
Thor
das Tauchboot ein und hob es mit einem Kran an Deck. Sobald die Luke sich öffnete, rannte Sanitätspersonal herbei, nahm nacheinander die Seeleute in Empfang, lud sie auf Tragen und
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