Tödliche Beute
Zaun. Einen Augenblick später folgte den schnüffelnden Hunden ein dunkelhäutiger, rundgesichtiger Wachposten in schwarzer Uniform. Er hielt ein Sturmgewehr im Anschlag.
Während die Hunde am Zaun auf und ab liefen, beäugte der Mann argwöhnisch den Waldrand. Er sah den Ast auf dem Signaldraht liegen, zückte ein Funkgerät und murmelte in einer unverständlichen Sprache ein paar Worte hinein. Dann drehte er sich um und stieg wieder in den Wagen. Die Hunde jedoch hatten anscheinend etwas gewittert, denn sie blieben steifbeinig stehen und starrten knurrend auf die Bäume, hinter denen die Trouts lagen.
Erst als der Wachposten ihnen barsch etwas zurief, sprangen sie zurück in das Fahrzeug, das sogleich losfuhr.
»Keine schlechte Reaktionszeit«, stellte Paul nach einem Blick auf die Uhr fest. »Neunzig Sekunden.«
»Wir sollten lieber von hier verschwinden«, sagte Gamay. »Die werden jemanden schicken, um den Ast wegzuräumen.«
Sie eilten im Laufschritt zu ihrem Wagen und befanden sich nach wenigen Minuten wieder auf der Hauptstraße.
Gamay schüttelte verwundert den Kopf. »Hat dieser Wachposten für dich wie ein Eskimo ausgesehen?«
»Ja, irgendwie schon. Aber ich bin auf Cape Cod nie besonders vielen Eskimos begegnet.«
»Was macht ein Eskimo so weit im Süden? Eiscreme verkaufen?«
»Dieser Kerl und seine Schoßhündchen hatten nur eines im Angebot: eine schnelle Fahrt ins Leichenschauhaus. Mal sehen, was in der großen Stadt los ist.«
Gamay nickte und bog wenig später auf die Straße ein, die in den Ort führte. Der erste Eindruck fiel ernüchternd aus, und die Trouts verstanden nun, weshalb der Reiseführer nicht näher auf das Dorf einging. Sämtliche Fassaden waren zum Schutz vor der Witterung mit graugrünen oder dunkelbraunen Asphaltschindeln verkleidet und die Dächer mit Aluminiumplatten versehen, damit im Winter der Schnee keinen Halt fand. Man sah kaum Leute oder Autos. In einigen der Schaufenster des ohnehin winzigen Geschäftsviertels standen Schilder, die besagten, dass die Läden bis auf weiteres geschlossen seien. Man kam sich vor wie in einer Geisterstadt. Der Hafen war durchaus malerisch, aber es lagen keine Boote darin vertäut, was die trübsinnige Atmosphäre des Ortes nur noch verstärkte.
Der Fischerpier war leer, abgesehen von ein paar schlafenden Möwen. An einem kleinen quadratischen Haus oberhalb des Hafenbeckens entdeckte Gamay die Neonreklame eines Restaurants. Paul schlug vor, dass sie hineingehen und für ihn Bratfisch mit Pommes frites bestellen solle, während er versuchen würde, jemanden aufzutreiben, der mehr über die Oceanus-Fabrik wusste.
Gamay betrat das Lokal und sah, dass außer dem stämmigen Barkeeper nur ein einziger Mann am Tresen saß. Sie entschied sich für einen Tisch mit Blick auf den Hafen. Der Kellner kam, um ihre Bestellung aufzunehmen, und erwies sich als sehr freundlich, genau wie die Leute, die sie in dem Café kennen gelernt hatte. Er bedauerte, leider nicht mit Fisch und Pommes frites dienen zu können, empfahl dafür aber das gegrillte Schinken-Käse-Sandwich. Gamay war einverstanden und bestellte zwei Sandwiches und eine Flasche Molson. Sie mochte das kanadische Bier, denn es war stärker als die amerikanischen Marken.
Als Gamay an ihrem Getränk nippte und die mit Fliegendreck übersäte Decke sowie die Dekoration aus zerrissenen Fischernetzen und Hummerbojen bewunderte, stand der andere Gast von seinem Hocker auf. Offenbar verstand er es als Einladung, wenn eine attraktive Frau mitten am Tag in einer Bar saß. Er schlenderte mit seiner Bierflasche näher und ließ die Augen über Gamays rotes Haar und die geschmeidige athletische Figur wandern. Da ihre linke Hand unter der Tischplatte auf dem Knie ruhte, konnte er den Ehering nicht sehen und kam gleich zur Sache.
»Guten Tag«, sagte er mit gewinnendem Lächeln. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
Gamay war von seiner direkten Art nicht überrumpelt.
Sie kam gut mit Männern zurecht, denn sie fühlte sich ihnen in mancherlei Hinsicht wesensverwandt. Angesichts ihrer hoch gewachsenen, schlanken Gestalt mit der langen lockigen Mähne fiel es schwer, sich vorzustellen, dass sie früher ein echter Wildfang gewesen war und mit einer Horde Jungen Baumhäuser gebaut oder auf den Straßen von Racine Baseball gespielt hatte. Dank ihres Vaters, den sie schon früh zum Sportschießen begleiten durfte, war sie außerdem eine Meisterschützin.
»Klar doch«, erwiderte sie zwanglos und wies auf
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