Tödliche Beute
Komfort ausgelegt hatte. Der Name am Heck lautete
Navarra
. Die Decks waren menschenleer. Niemand ließ sich blicken, um zu winken, wie es normalerweise geschah, wenn zwei Boote sich begegneten, erst recht in so einsamen Gewässern. Als Austin an der Jacht vorbei auf das Ufer zusteuerte, fühlte er sich von unsichtbaren Augen hinter den dunkel getönten Scheiben beobachtet.
Die ersten Sonnenstrahlen, die nun durch die Wolkendecke drangen, spiegelten sich stumpf in den fernen Metalldächern, die Kurt tags zuvor von dem hohen Felsgrat aus gesehen hatte.
In der Nähe der Gebäude stieg ein dunkler Punkt in den Himmel, wurde schnell größer und verwandelte sich in einen schwarzen Helikopter ohne Hoheitszeichen. Der Hubschrauber stieß wie eine wütende Hornisse auf Austin herab, umkreiste ihn zweimal und verharrte dann einige hundert Meter vor ihm in der Luft. Unter dem Rumpf hingen Raketenwerfer. Ein weiterer Besucher war bereits unterwegs, hielt mit hoher Geschwindigkeit auf Kurt zu und ließ beim Ritt über die Wellenkämme Gischt aufspritzen. Schon bald konnte Austin erkennen, dass es sich um ein flaches Schnellboot handelte, wie es auch die Drogenschmuggler in Florida bevorzugten.
Das Boot wurde langsamer und fuhr dicht genug an Kurt vorbei, dass er die drei Männer an Bord genau in Augenschein nehmen konnte. Sie waren klein und stämmig, hatten runde Gesichter und eine dunkle Hautfarbe. Ihr schwarzes Haar reichte bis dicht über die asiatisch anmutenden Augen. Einer der Männer blieb am Steuer, während die anderen mit Gewehren auf Kurt anlegten.
Das Boot schaltete die Maschinen aus und kam nach kurzer Fahrt zum Stehen. Der Steuermann hob ein Megaphon an die Lippen und schrie etwas auf Färöisch.
Austin reagierte mit einem dämlichen Grinsen und hob fragend beide Hände, um anzudeuten, dass er nichts verstanden hatte. Der Mann versuchte es erst auf Dänisch, dann auf Englisch.
»Privateigentum! Verschwinden Sie!«
Austin spielte weiterhin den grinsenden Einfaltspinsel, hob die Angelrute über den Kopf und zeigte darauf. Die beiden Bewaffneten lächelten nicht, ahmten die Geste aber mit ihren Gewehren nach. Austin nickte, als sei ihm die stumme Botschaft nun klar geworden. Dann steckte er die Angelrute wieder in die Halterung, gab Gas, winkte den Fremden freundlich zum Abschied zu und wendete.
Als er eine Minute später über die Schulter zurückschaute, sah er das Schnellboot wieder in den Hafen rasen. Auch der Helikopter hatte abgedreht und das Boot bereits überholt.
Austin kam erneut an der Jacht vorbei, wo sich noch immer niemand an Deck blicken ließ. Dann folgte er dem Küstenverlauf zu einer Landzunge, die wie ein Papageienschnabel geformt war. Kurz darauf sichtete er das Nixentor am Fuß einer senkrechten Klippe. Für einen natürlichen Höhleneingang war es erstaunlich ebenmäßig, dabei etwa sechs Meter hoch und fast genauso breit. In der riesigen, zerklüfteten braunschwarzen Felswand wirkte es wie ein Mauseloch.
Trotz seines lyrischen Namens war das Nixentor beileibe kein einladender Ort. Obwohl die See relativ ruhig schien, schlugen Wellen gegen die wie Fangzähne aufragenden Felsen zu beiden Seiten der Öffnung. Gischt spritzte hoch empor, und heimtückische gegenläufige Strömungen ließen das Wasser vor der Höhle wie in einer gewaltigen Waschmaschine brodeln. Neben dem Lärm der Brandung vernahm Austin aus dem Eingang ein dumpfes Seufzen.
Sein Nackenhaar richtete sich auf. Genauso hatte er sich das Stöhnen der ertrunkenen Seeleute vorgestellt. Eine Meerjungfrau bekam er leider nicht zu Gesicht.
Austin hielt das Boot in einiger Entfernung an. Eine Durchfahrt zu diesem Zeitpunkt wäre wie der Versuch gewesen, inmitten einer dichten Menschenmenge eine Nadel einzufädeln. Er sah auf die Uhr, lehnte sich zurück und machte sich über das Brot und den Käse her, die Pia ihm dankenswerterweise eingepackt hatte. Als er das Frühstück beendete, spürte er eine Änderung des Seegangs. Es war, als hätte König Neptun seinen Dreizack gehoben. Wenngleich das Wasser in unmittelbarer Umgebung immer noch unruhig schien, knallten die Wellen nicht länger mit explosionsartiger Wucht gegen die Felsen. Pia hatte gesagt, das Tor sei nur dann sicher schiffbar, wenn die Strömung abflaue.
Kurt sicherte alle losen Gegenstände an Bord, legte eine Schwimmweste an, stellte sich breitbeinig hin, um möglichst viel Halt zu haben, schob den Gashebel vor und steuerte die Öffnung an. Sogar bei nur schwacher
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