Tödliche Beute
aller Kraft, zu der sein untersetzter, muskelbepackter Körper fähig war.
Der Spieß flog als metallischer Schemen in einer hohen ballistischen Kurve davon und war dermaßen gut gezielt, dass er den Fliehenden genau zwischen den Schulterblättern traf. Der Mann stürzte zu Boden und wurde dort festgenagelt wie ein Schmetterling im Schaukasten. Der Anführer hatte sich unterdessen bereits abgewandt und sah gar nicht mehr, wie sein Opfer starb.
Der gesamte Vorfall – die fehlgeschlagene Flucht und der Mord an Bens Cousin – hatte nur wenige Sekunden gedauert. Nighthawk hatte wie erstarrt tatenlos zugesehen.
Green wollte ihn zurückhalten, aber der junge Indianer riss sich los und rannte aus der Deckung auf den Toten zu.
Josh eilte ihm hinterher, riss ihn mit einem Sprung zu Boden und rappelte sich sofort wieder auf, um Nighthawk zurückzuzerren. Sie befanden sich mitten im Scheinwerferlicht und waren deutlich zu erkennen. Ben sah, dass die Wachposten auf sie zielten, und handelte rein instinktiv.
Gemeinsam mit Green lief er auf den Wald zu. Schüsse peitschten auf, und Josh stürzte. Nighthawk hielt an, um ihm zu helfen, doch eine Kugel hatte Green am Hinterkopf erwischt und seinen Schädel zerschmettert. Ben fuhr herum und rannte weiter, während zu seinen Füßen die Erde aufspritzte. Als er zwischen den Bäumen verschwand, schlug eine Salve in das Laubwerk über seinem Kopf ein. Unter einem Hagel aus Zweigen und Blättern eilte er zwischen den Stämmen hindurch zum See und weiter auf den Pier hinaus.
Er sah die Jetskis und wünschte, Green hätte einen der Zündschlüssel stecken gelassen. Mit seinem Jagdmesser durchtrennte er die Halteleinen. Dann stieß er die Fahrzeuge mit aller Kraft vom Steg weg. Er riss die Plane von dem Kanu herunter, sprang hinein und paddelte hektisch los. Als am Pier Mündungsfeuer aufblitzte und das Rattern automatischer Waffen erklang, befand er sich bereits in freiem Fahrwasser. Die Schützen feuerten ungezielt und verfehlten ihn um mehrere Meter.
Das Kanu glitt quer über den See und somit außer Schussweite. Nighthawk paddelte so schnell wie möglich voran. Sobald er das andere Ufer erreichte, könnte er im tiefen Wald verschwinden. Auf einem offenen Gewässer war es nie vollkommen dunkel, weil sogar die schwächste Lichtquelle erfasst und reflektiert wurde, aber nun fing der See um ihn herum an zu glühen, als habe man eine Leuchtchemikalie ins Wasser eingeleitet. Ben blickte über die Schulter zurück und erkannte, dass das Licht nicht dem See entsprang, sondern sich lediglich in der Oberfläche spiegelte.
Hinter ihm ragte ein breiter Lichtstrahl in den Himmel.
Die Kuppel öffnete sich, und das Luftschiff stieg langsam empor. Als es einige Dutzend Meter über den Bäumen schwebte, nahm es Fahrt auf und steuerte den See an. In dem gespenstischen Licht, das von unten auf den Rumpf fiel, sah es wie das Racheungeheuer einer längst vergessenen Sage aus. Anstatt sich Ben auf direktem Weg zu nähern, bog das Luftschiff zur Seite ab und folgte der Uferlinie. An seiner Steuergondel flammten Scheinwerfer auf und leuchteten das Wasser ab.
Nach einer Weile wendete es und kehrte auf Parallelkurs zurück. Man wollte also nicht blindlings auf den See vorstoßen, sondern von vornherein ein engmaschiges Suchraster abfliegen. Nighthawk paddelte um sein Leben, aber es würde allenfalls noch einige Minuten dauern, bis die Suchscheinwerfer ihn erfassten.
Das Luftschiff wendete erneut und schlug eine Bahn ein, auf der es genau über dem Kanu vorbeifliegen würde.
Sobald man ihn entdeckte, wäre Nighthawk ein leichtes Ziel. Er wusste, dass ihm nur noch eine Alternative blieb, also zog er sein Messer und schlug ein Loch in den Boden des Boots. Kaltes Wasser strömte herein und durchnässte ihn bis zur Taille. Als das Luftschiff über ihm den Himmel verfinsterte, ragte nur noch sein Kopf aus den Fluten. Das dumpfe Dröhnen der Motoren übertönte jeden anderen Laut.
Nighthawk tauchte ab und hielt das sinkende Kanu fest, damit es nicht an die Oberfläche trieb. Über ihm leuchtete das Wasser im Kegel eines der Scheinwerfer auf und wurde wieder dunkel. Er blieb so lange wie möglich unten, musste aber schließlich hochkommen, um Luft zu holen.
Seine Verfolger hatten die nächste Suchbahn eingeschlagen. Aus der Ferne vernahm Ben ein weiteres Geräusch. Das Heulen und Brummen von Jetskis. Jemand hatte anscheinend Ersatzschlüssel aufgetrieben.
Nighthawk bog in spitzem Winkel ab und schwamm
Weitere Kostenlose Bücher