Tödliche Beute
riesiges Gebiet mit zahlreichen großen Süßwasserseen bedeckte. Bens Familie ernährte sich von dem Land. Sie fischten und jagten zur Selbstversorgung und verdienten sich Geld als Angel- und Jagdführer für Touristen.
Green hatte vorgeschlagen, sich von einem Wasserflugzeug ans Ziel bringen zu lassen, aber Nighthawk sagte, die schwer bewaffneten Posten hätten keinen Zweifel daran gelassen, dass jeder unbefugte Eindringling erschossen würde. Allerdings sei die von ihnen bewachte Zufahrtsstraße nicht der einzige Weg ins Dorf.
Am nächsten Morgen fuhren sie abermals einige Stunden, ohne auch nur einem einzigen anderen Fahrzeug zu begegnen, bis sie auf den Pfad stießen, der tief in den Wald führte.
Nachdem sie den Wagen nun zurückgelassen hatten und ungefähr eine Stunde wie Schatten im Schutz der hohen Bäume durch die Stille gehuscht waren, blieb Nighthawk stehen und hob die Hand. Er verharrte mit halb geschlossenen Augen und bewegte den Kopf leicht hin und her. Josh musste unwillkürlich an eine Radarschüssel denken, die ein sich näherndes Zielobjekt anpeilte. Ben schien sich in diesem Moment nicht der üblichen Sinne zu bedienen, sondern eine Art inneren Richtungsanzeiger zu benutzen.
Während Green ihn fasziniert beobachtete, kam ihm ein Gedanke: Man kann den Indianer aus dem Wald holen, aber nicht den Wald aus dem Indianer. Schließlich ließ Nighthawks Anspannung nach. Er griff in seinen Rucksack, holte eine Feldflasche daraus hervor und reichte sie Green.
»Ich spiele nur ungern die Nervensäge«, sagte Josh und trank einen warmen Schluck Wasser, »aber wie weit müssen wir noch laufen?«
Nighthawk deutete voraus. »Noch etwa hundert Meter, dann stoßen wir auf einen Wildpfad, der zum See führt.«
»Woher weißt du das?«
Ben tippte sich an die Nase. »Das war nicht weiter schwierig. Ich bin dem Wassergeruch gefolgt. Versuch’s doch auch mal.«
Nach kurzem Schnüffeln stellte Green zu seiner Überraschung fest, dass er neben dem Kiefernduft tatsächlich faulende Pflanzen und Fisch roch. Nighthawk trank ebenfalls und verstaute die Flasche wieder im Rucksack. »Von jetzt an müssen wir sehr vorsichtig sein«, sagte er leise. »Ich gebe dir Handzeichen.«
Green nickte, und sie setzten ihren Weg fort. Schon nach wenigen Schritten änderte sich die Landschaft. Die Bäume waren hier kleiner und dünner, der Boden sandiger. Das Unterholz wurde immer dichter, und sie mussten sich durch Dornensträucher vorarbeiten, die an ihrer Kleidung zerrten.
Durch das Blätterdach über ihren Köpfen fiel immer mehr Sonnenlicht. Dann sahen sie auf einmal Wasser funkeln. Auf ein Zeichen von Nighthawk ließen sie sich auf Hände und Knie nieder und krochen in Richtung Ufer.
Nach einer Weile stand Ben auf und ging bis zum See.
Green folgte ihm. An einem wackligen Pier lag eine alte Cessna vertäut. Nighthawk nahm das Wasserflugzeug genauer in Augenschein, konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen. Dann klappte er die Motorhaube auf und erschrak.
»Josh, sieh dir das an!«
Green betrachtete den Motor. »Da war wohl jemand mit der Axt am Werk.«
Die Schläuche und Kabel hingen lose herab. Mehrere Scharten auf dem Motorblock ließen auf die Einwirkung eines harten Gegenstands schließen.
»Deshalb konnte niemand von hier wegfliegen«, sagte Nighthawk. Er wies auf einen häufig benutzten Trampelpfad am Ufer. »Das ist der Weg ins Dorf.«
Innerhalb weniger Minuten standen sie am Rand einer Lichtung. Ben hob die Hand, ging in die Hocke und spähte mit scharfem Blick zwischen den Büschen hindurch. »Es ist keiner mehr da«, sagte er schließlich.
»Bist du sicher?«
»Ja, leider«, erwiderte Nighthawk und trat furchtlos aus der Deckung. Green folgte ihm zögernd.
Das Dorf bestand aus ungefähr einem Dutzend robust wirkender Blockhäuser, die meisten mit Veranda. Sie waren zu beiden Seiten eines breiten Wegs aus festgetretener Erde errichtet, der an die Main Street einer Kleinstadt erinnerte, einschließlich eines Gebäudes, das laut Ladenschild als Gemischtwarenhandlung diente.
Green rechnete damit, dass jeden Moment jemand zur Tür herauslaufen würde, aber es herrschte überall Grabesstille.
»Das ist unser Haus. Hier wohnen meine Eltern und meine Schwester«, sagte Nighthawk und blieb vor einem der größeren Gebäude stehen. Dann stieg er auf die Veranda und ging hinein. Nach ein paar Minuten kam er wieder zum Vorschein und schüttelte den Kopf.
»Niemand. Alles scheint unverändert. Als wären
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