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Tödliche Ernte

Tödliche Ernte

Titel: Tödliche Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicky Stiefel
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musste: sie so stark unter Beruhigungsmittel gesetzt, dass ihre Beine sich wie Gummi anfühlten und ihre Arme wie Wackelpeter. Verdammt.
    Sie wollte mich den Flur entlangzerren.
    Ich weigerte mich, stolperte mehr als nötig, stützte mich an der Wand ab.
    »Du erschaffst erstaunliche Männer, Mary.«
    »Danke. Dass der echte Mr Britt als Vorlage für meinen McArdle diente, ist ja klar. Der Kerl im VW war irgendein Arschloch, mit dem ich auf der Highschool war. Trepel war wie Harrison Ford in dem Film Aus Mangel an Beweisen, mit einem Tick Spinelli. Hast du das erkannt?«
    »Nein.«
    Sie schmollte.
    »Ich habe am College ein paar Theaterkurse belegt. Einer war ein Kurs über Schminken am Theater, und danach bekam ich einen Job als Visagistin bei einer Theatertruppe. So bin ich auch meinen Akzent losgeworden.«
    »Zurück zu deiner Mom. Ist deine Schwester mit ihr gestorben?«
    Ihr ganzer Körper erbebte.
    »Probleme?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nichts. Nichts! Ich will nicht über meine Schwester sprechen.«
    Unsere kleine Mary hatte sich nicht ganz unter Kontrolle. Ein Bild von Inez kam mir in Erinnerung, was einen Schweißausbruch nach sich zog. Mist. Ich durfte nicht an die Frauen denken. Nicht jetzt. Sonst schaffte ich es nicht.
    »Was ist mit deinem Dad, Mary. War der nicht Fleischer oder so was?«
    Sie schlug mich ins Gesicht. Ich taumelte zurück und prallte gegen die Wand. Ein Schlag in den Bauch ließ mich einknicken. Ich musste erneut würgen, und der Geschmack nach Erbrochenem mischte sich mit dem Schweiß, der mir übers Gesicht lief. Himmel. Anscheinend hatte ich da einen neuralgischen Punkt erwischt.
    Ich glitt zu Boden und schnappte nach Luft. »Das war ’n echter Spaß«, keuchte ich.
    Ihr Gesicht näherte sich meinem bis auf wenige Zentimeter.
    Plötzlich sah ich, dass die dicke Make-up-Schicht fort war. Verblasste Narben liefen kreuz und quer von den Augen bis zum Kinn.
    Wer hatte Mary das angetan?

43
    Ich stützte mich beim Aufstehen mit den Händen an der Wand ab. Ich wankte auf Mary zu. Da erst sah ich, dass sie eng am Körper eine kleinkalibrige Pistole hielt. Ich musste nachdenken, nachdenken. Das war die einzige Möglichkeit, Gert und mich hier herauszuholen.
    Ich durfte keine Angst haben.
    Ich kicherte. Die Nerven. Himmel. Vor Angst machte ich mir fast in die nicht vorhandene Hose.
    Und Mary war scharfsinnig genug, das zu wissen.
    »Du unterhältst dich prächtig, was?«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht. Unter diesem Aspekt hab ich das nie gesehen. Aber vermutlich schon.«
    Denk nach. Denk nach. »Warum hast du eine Pistole? Du erschießt mich doch nicht. Die anderen hatten auch keine Einschusslöcher.«
    Sie lächelte. »Ich würde nie schießen, um zu töten. Aber ich würde dich verwunden, wenn es sein müsste. Das würde wehtun. Und ich will dir nicht wehtun, Tally.«
    »Damit du dir ein Stück von mir nehmen kannst, stimmt’s?«
    »Wenn es einen anderen Weg gäbe …« Sie seufzte. »Ich arbeite daran.«
    Zeit, wieder die Initiative zu ergreifen. »Erzähl mir von deinem Dad, Mary.«
    »Hör auf damit! Oder ich schlag dich noch mal.«
    »Na und? Meinst du denn, er wäre stolz auf dich, sobald du aufgeflogen bist, Mary?«
    Sie lachte. »Aber weshalb sollte ich auffliegen? Ich bin unsichtbar. Das war ich schon immer. Ich bin unauffällig. Meine Persönlichkeit ist unauffällig. Niemand nimmt mich wahr. Niemand außer …«
    Sie klang schrecklich traurig. Ich wollte sie berühren, wagte es aber nicht. »Wer war die Ausnahme, Mary? Deine Mom?«
    Ihre Pupillen weiteten sich. »Sie war wundervoll.« Sie zog an meiner Hand.
    Ich hielt dagegen. »Ich will Gert sehen.«
    »Na gut«, fauchte sie. »Wenn du sie anfasst, ist sie tot.«
    Wir gingen durch den hell erleuchteten Flur. Der Boden war weiß gefliest und so kalt, dass meine nackten Füße schmerzten. Wir näherten uns einer Tür am Ende des Ganges, die einen Spalt offen stand. Ich konnte einen Blick auf einen noch heller erleuchteten Raum erfassen, voller Regale und …
    Mary riss mich zu sich herum.
    »Noch nicht.« Sie machte eine andere Tür auf, hinter der sich ein riesiger begehbarer Schrank befand. Auf Regalböden standen Köpfe von Schaufensterpuppen mit Perücken, daneben ein Schminktisch, auf dem sich Schminkutensilien und Haarteile türmten. Ein Kleiderständer, der unter Jeans und Kleidern, T-Shirts und Overalls verschwand. Aus einer Kommode zog sie zwei grüne OP-Kittel und je einen Mundschutz für sich und mich.
    »Zieh das

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