Tödliche Ernte
die Verkabelung hervor und reichte sie ihr.
»Jetzt können wir uns in Ruhe unterhalten. Komm doch rein und sieh dich um.«
»Ist Gert am Leben?«
»Ja.«
»Wo ist Britt?«
Sie gluckste. »Natürlich hier.« Sie hakte sich bei mir unter. »Ich will nicht, dass du ausrutschst.«
Sie zerrte mich mit sich.
Meine Angst nahm zu. Adrenalin pulsierte in meinen Adern, ich hörte einen Zweig knacken, nahm den leichten Rauchgeruch wahr und sah, wie eine Katze das Gras überquerte. Keine Menschenseele weit und breit, außer wir beide.
Mary. Ich.
Ein dunkles Lachen an meinem Ohr. Eine Erinnerung. Wer? Trepel. Genau.
Ich erkannte meinen Fehler. Es gab keine Verschwörung.
Der echte Britt war nie in der Bar gewesen. Nein. Er war bei irgendeinem Shooting und wartete auf mich.
Britt sah nicht wie McArdle aus, weil er McArdle spielte. Sondern weil Mary Britt für ihren McArdle als Vorbild genommen hatte.
Britt hatte mich kennengelernt, hatte vielleicht über das mgap und unsere Arbeit dort gesprochen und Mary damit unwissentlich zu uns geschickt.
Mary war McArdle. Und Trepel. Und der Typ aus dem VW. Und …
Gleich nach der Auseinandersetzung in der Gruppe hatte sie sich Blessing ausgeguckt. Vielleicht sogar schon vorher. Sie hatte ihm den Mord an Chesa in die Schuhe geschoben, ihn dann an sich gebunden, gefügig gemacht und ausgenutzt, bis der Moment gekommen war, ihn durch Kranak erschießen zu lassen.
Doch er war ausgeflippt, als er sie in der Tür hatte stehen sehen, und hatte sich umgebracht. Genau, wie er auf dem Parkplatz auf mich gewartet hatte, doch als er Marys Stimme erkannte, war er verschwunden. Sie hatte die ganze Zeit die Fäden gezogen.
Armer Roland Blessing. Er hatte nie auch nur den Hauch einer Chance gehabt.
Wir durchquerten Marys unmöbliertes Haus. Ein übel riechender, antiseptischer, chemischer Geruch drang von irgendwoher herein und wurde mit jedem Schritt stärker.
Alles in mir schrie: »Lauf weg!«
Sie führte mich über eine enge Treppe hinunter in einen hell erleuchteten Keller, der mich an die Räume eines Arztes erinnerte.
Ich musste würgen. Nicht wegen dieser Verdrehung des Todes, nein, sondern wegen des Formaldehydgeruchs, dieser Konservierung des Todes.
Lächelnd sah sie mich an.
Mary war wie McArdle gekleidet. Oder Britt. Wer auch immer. Ziemlich langes Haar, große Ohren, dicke Brillengläser, Bart.
Sie summte vor Aufregung.
»Wo ist Gert?«, fragte ich.
»Ich komme wieder.« Sie schubste mich in ein Zimmer.
Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, fischte ich mein Handy aus der Tasche und wählte.
Alles, was kam, war ein statisches Rauschen.
Ich tastete nach dem Lichtschalter und legte ihn um. Das Zimmer wurde mit einem Schlag hell.
»Du lieber Himmel.«
Überall Barbies – auf den Bettlaken, der Bettdecke, der Tapete. Und auf der Kommode. Dutzende Barbiepuppen schauten aus den aufgezogenen Schubladen. Dann ein Stapel auf einem Kinderstuhl und ein Haufen in einer Zimmerecke, neben dem Barbie-Puppenhaus. Und meine Puppe Gladdy lehnte am Kopfkissen und starrte mich an.
Ich schnappte Gladdy, setzte mich aufs Bett und drückte sie so fest, dass ich befürchtete, ihre Füllung herauszuquetschen. Gladdy in diesem Gruselkabinett zu finden, verursachte mir Übelkeit.
Und ich kochte vor Wut. Ich drückte Gladdy zum fünfzigsten Mal an mich.
Auf dem Nachttischchen waren ein Glas kalte Milch und Oreo-Kekse. Ich nahm einen Schluck, zerteilte dann einen der Doppelkekse, leckte an der Füllung und biss schließlich hinein. Ob sie mich wohl dabei beobachtete?
Wusste Mary, dass ich hinter Emma steckte? Warum sonst wäre Gladdy hier? Aber vielleicht war sie auch nur eine der Trophäen des Schnitters und Mary glaubte noch immer, ich sei Emma. Aber war das noch wichtig?
Das Zimmer begann, sich zu drehen. Oh, Mist.
Wie dumm von mir, die Milch zu trinken.
Dann wurde es dunkel.
* * *
Ein Klirren weckte mich. Meine Lider klappten auf. Das Zimmer verschwamm. Mir war schwindlig. Dann ging es vorüber. Ich setzte mich auf. Ich dachte, mir würde übel. Ich hielt Gladdy im Arm. Ich schob sie weg.
Ich war nackt, die Perücke war weg, das Brustband auch, und McArdle/Mary sah mir ins Gesicht.
Sie hatte die Kleidung gewechselt und trug nun einen Trenchcoat, der bis auf den Boden fiel. Der Himmel wusste, warum. Und einen Hut, den sie sich fest auf den Kopf gesetzt hatte. Sie zog ihren Stuhl zum Bett, auf dem ich saß.
Während sie mich dabei beobachtete, wie ich sie beobachtete, tanzte
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