Tödliche Ernte
mein Magen Samba.
Lauria würde Gert und mich finden. Rechtzeitig, hoffte ich.
Grinsend zupfte sie sich am Ohr. Genau wie McArdle. Und wie Britt.
»Wo hast du Gert hingebracht?«, fragte ich.
»Hierher.«
Mein Magen zog sich zusammen. »Toilette?«, flehte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
Ich raste zum Mülleimer und fing an zu würgen. Als ich fertig war, wankte ich zurück zum Bett. Oh Mann, war das alles ätzend.
Sie hatte zugeschaut und nicht einmal den Blick von mir gelassen. Sie reichte mir ein paar Papiertücher, und ich fuhr mir über den Mund und die tränenden Augen.
»Mir ist total übel«, sagte ich.
Sie zuckte die Achseln, lächelte aber. Sie reichte mir ein Glas Wasser. »Das wird schon wieder.«
Ich trank, was mir ein wenig half. In diesem Moment fühlte ich mich so elend, dass es mir egal war, ob ich wieder das Bewusstsein verlor.
Sie fing an, »McArdles« Bart abzunehmen, dann die Brauen, dann die Perücke. Sie zupfte die Überreste des Hautklebers von ihrem Gesicht und rüttelte an ihren großen Vorderzähnen, die sich lösten und ihre kleineren enthüllten. Sie riss weitere Tücher aus der Box neben dem Bett, fing an, die Nase zu bearbeiten und zog auch die ab.
Sie konnte nicht aufhören zu grinsen. Sie genoss diese Verwandlung.
Die Körpersprache änderte sich, und für einen Moment wurde sie wieder zu der Mary, die ich seit Jahren kannte. Dann warf sie die Schultern zurück, lachte und klatschte sich auf die Knie.
»Ich bin schon erstaunlich, was?«, sagte sie. Ihre Ohrringe mit den verschlungenen Menschen glitzerten im Licht der Lampe. Es juckte mich in den Fingern, sie zu erdrosseln.
Ich versuchte zu begreifen, dass der Schnitter eine Frau war.
Mary knöpfte den Regenmantel auf und warf ihn ab. Sie trug einen langen Rollkragenpulli und eine Yoga-Hose, die an ein Outfit erinnerten, das ich besaß. Das Oberteil war türkisblau, eine meiner Lieblingsfarben. Die Leggings betonten ihren dicken Waden und unförmigen Knöchel. Diese Kleidung war nicht sehr schmeichelhaft für sie.
Sie riss den Hut herunter, und ihr Haar quoll hervor, soweit das bei dünnem, seidigem Haar ging. Sie hatte es locken und bleichen lassen. Es war gekräuselt, um genau zu sein, sodass es meinem ähnelte, wenn es nicht gerade feucht geschwitzt vor Angst war. Die ganze Aufmachung strahlte eine solche Inbrunst aus, dass mein Unbehagen nur noch zunahm.
Wenn ich mich nicht längst gegruselt hätte, dann hätten das Outfit und die Frisur dafür gesorgt.
Sie war ich, und sie wusste, dass auch »Emma« ich war. Das war schon surreal.
Vielleicht konnte ich ihr mit der Lampe eins überziehen. »Wie wäre es mit was zum Anziehen?«, sagte ich.
»Bald«, erwiderte sie. »Du gefällst mir nackt.«
Herrje. Es bereitete mir immer noch Probleme zu verarbeiten, dass Mary hinter Britt/McArdle steckte, dass sie mehr als ein Dutzend Frauen umgebracht hatte und dass sie ihnen Körperteile entwendet hatte. Dass sie eine geisteskranke Mörderin war.
»Wo ist Gert, Mary?«
»Sie liegt in einem anderen Zimmer.«
»Ich möchte sie jetzt sehen.«
»Nein.«
Nur das Nötigste als Antwort. Interessant. »Du hast sie auch betäubt, stimmt’s?«
Sie zuckte andeutungsweise mit einer Schulter.
Ich trank langsam noch ein paar Schlucke Wasser, um Zeit zu schinden und zu versuchen, mir über alles klar zu werden. »Deine Mutter, wie ist die gestorben?«
Mary schlug die Augen nieder. »Sie wurde ermordet. Das weißt du doch.«
»Und wo warst du damals?«
»In der Nähe.«
»Warst du nur ›in der Nähe‹, Mary? Oder warst du im Zimmer, als sie starb?«
»Ich weiß, was du vorhast. Lass das.«
Sie griff nach meiner Schulter, und ich rappelte mich auf. Meine wackeligen Beine wären fast unter mir weggeknickt. Ich stützte mich am Tisch ab. Wieder zog sie mich vorwärts, und dieses Mal war ich in der Lage, mich zu bewegen.
Sie schleifte mich aus dem Zimmer.
»Es geht um deine Mom, stimmt’s? Du versuchst, den Einklang mit deiner Mutter wiederherzustellen. Wie alt warst du, als sie starb, Mary? Acht? Neun? Zehn?«
»Elf! Und jetzt halt die Klappe. Du meinst, du kapierst, was Sache ist. Tust du aber nicht. Warte nur mal ab.«
Sie zerrte mich in den Flur, wo ich angesichts des grellen Lichts zurückzuckte. »Du bist ganz schön clever, Mary.«
»Bin ich.«
»Und gerissen.«
»Das auch.«
Ich konnte versuchen, sie zu schubsen, aber die Kraft fehlte mir. Sie hatte mit mir getan, was sie auch mit den anderen getan haben
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