Tödliche Ewigkeit
Spanisch.
»Wir ermitteln über das Verschwinden von Raúl Espejo. Wir haben neue Hinweise.«
Die junge Frau musterte Ann misstrauisch. Sie sah sehr mexikanisch aus, war ziemlich hübsch und hatte eine intensive Ausstrahlung.
»Wer sind Sie?«
»Wir gehören der New Yorker Polizei an. Ich bin ein persönlicher Freund von Leticia Gonzales Esperanza, der Cousine Ihres Mannes. Wir haben gute Gründe anzunehmen, dass sein Verschwinden im Zusammenhang mit einem Mord steht, der auf unserem Staatsgebiet begangen wurde.«
Sie betrachtete ihn unverwandt, als könnten ihre Augen jeden seiner Gedanken lesen. Zwischen ihren Beinen erschien ein Junge, der sie mit demselben ernsthaft forschenden Blick ansah wie seine Mutter.
»Darf ich Ihnen Kaffee anbieten?«, fragte sie schließlich auf Englisch, denn sie hatte begriffen, dass Ann kein Spanisch verstand. Sie führte sie in eines der beiden Zimmer, aus denen das Haus bestand.
»Verzeihen Sie die Begrüßung«, sagte sie ohne den geringsten Akzent, während sie ihnen Kaffee einschenkte. »In dieser Stadt ist Vertrauen eine lebensgefährliche Krankheit. Vor allem gegenüber der Polizei. Guillermo, belästige die Dame nicht!«
Das Kind war auf Anns Schoß geklettert.
»Er belästigt mich nicht«, antwortete sie, während sie ihm übers Haar strich.
Teresa lächelte.
»Ich verlasse mich auf ihn. Er hat ein Gespür für Menschen.«
»Wie alt ist er?«
»Drei Jahre. Glauben Sie, dass Raúl noch lebt?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Jeff. »Aber es würde mich nicht wundern.«
Er verstummte. Er wusste ganz einfach, dass Raúl lebte. Woher kam diese Überzeugung? Er hatte Mühe, es sich einzugestehen, aber die Antwort war eindeutig. Als Leticia ihm von ihrem Cousin erzählt hatte, war ein Gebet in seinem Herzen aufgestiegen. Ein Gebet an Lucie. »Mach, dass Raúl Espejo gefunden wird.« Die Bitte war völlig irrational, und er hatte sich sogleich Vorwürfe gemacht. Doch sie hatte einen Sinn, wenn das Verschwinden von Leticias Cousin wirklich im Zusammenhang mit dem Mord an Lucie stand. Und wenn unwillkürlich eine solche Bitte in seinem Inneren aufgetaucht war, dann weil …
Weil was?
Weil Raúl lebte? Und man ihn wiederfinden würde?
Das war die Logik eines Irren.
Aber sie war ihm jetzt in Fleisch und Blut übergegangen.
Jeff erkannte sich selbst nicht wieder.
Ein peinliches Schweigen entstand, das Teresa schließlich brach:
»Wie kann ich Ihnen helfen?«
Ann sah Jeff fragend an. Doch er fühlte sich völlig leer und überlegte verzweifelt, was er sagen sollte.
Er hatte in der Akte gelesen, dass Raúl Espejo verschwunden war, als er sich auf dem Weg zu ihr befand. Sie hatte den Polizisten gesagt, dass sie seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr hatten. Was konnte er von ihr erwarten? Was konnte er sie fragen?
Plötzlich flog die Tür auf. Ann zuckte zusammen. Eine kräftige Stimme schrie auf Spanisch:
»Keine Bewegung!«
Teresa starrte mit offenem Mund auf jemanden im Rücken von Jeff. Der versuchte sich so langsam wie möglich umzudrehen.
In einem Ton, der seine Nervosität verriet, fragte der Unbekannte:
»Wer sind diese Gringos , Teresa?«
Der Lauf eines Maschinengewehrs war jetzt auf sie gerichtet.
Dem jungen Mann mit dem gelblichen, müden Gesicht stand der Schweiß auf der Stirn. Er sah aus, als könne er jede Sekunde abdrücken.
»Raúl«, flüsterte Teresa mit kaum wahrnehmbarer Stimme.
Guillermo lief zu dem Mann und schlang die Arme um sein Bein.
Jeff nutzte den kurzen Augenblick der Ablenkung, um ebenfalls seine Waffe zu ziehen und auf den Mann zu zielen.
»Nicht schießen!«, schrie Teresa. »Das ist Raúl!«
Jeff senkte die Waffe, der andere jedoch nicht.
»Wer sind diese Gringos ?«, wiederholte Raúl in aggressivem Ton.
»Es sind Freunde«, beschwor ihn Teresa.
»Ich habe keine Freunde.«
Raúl Espejo trat einen Schritt auf Jeff zu und sah ihn hasserfüllt an.
»Irkalla hat Sie geschickt!«
Ann öffnete den Mund. Auch wenn sie kein Spanisch sprach, hatte sie doch den Namen verstanden.
»Was haben Sie da gerade gesagt?«, fragte Jeff verblüfft.
Raúl schien zu spüren, dass sein Gegenüber es aufrichtig meinte. Zögernd senkte er seine Waffe.
»Sie kennen Professor Irkalla?«, beharrte Jeff.
Der junge Mann setzte erneut eine drohende Miene auf. Doch sein Ausbruch hatte ihm offenbar die letzte Kraft geraubt. Tiefe Erschöpfung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab …
»Wenn Sie für dieses Monster arbeiten, kommen Sie hier
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