Tödliche Ewigkeit
Uniform an den Nagel gehängt. Für immer, wie sie hoffte. Denn der Dienst auf der Straße war nicht ihr Ziel. Sie wollte ermitteln, Verbrechen aufklären, dem Gesetz dienen.
Die Einheit des 19. Reviers, der sie zugeteilt war, hatte ihre Büros im fünften Stock. Ann trat in den Aufzug. Dort traf sie auf einen jungen Mann in Zivil.
»Guten Tag. Möchten Sie Anzeige erstatten? Dann müssen Sie im zweiten Stock aussteigen.«
Er war stämmig, einen Kopf größer als sie, und seine schönen blauen Augen hatten einen freundlichen, selbstsicheren Ausdruck. Sie sah ihn ruhig an.
»Ich komme, um meinen Dienst anzutreten.«
»Oh, Entschuldigung. Zu welcher Abteilung gehören Sie?«
»Zu den Detectives.«
»Ach, dann sind Sie die Neue«, rief er aus und drückte den Knopf zum fünften Stock. »Wunderbar! Ich bin Frank Millar. Wir sind Kollegen.«
Sie entspannte sich ein wenig und ergriff die Hand, die er ihr entgegenstreckte. Männlich und neutral sollte seine Geste wirken. Doch sein Blick streifte kurz ihre Brüste, ehe er ihr ins Gesicht sah.
»Ann Lawrence«, antwortete sie und musste innerlich lächeln.
Es belustigte sie stets aufs Neue, wie sich die Männer in diesem lange Zeit rein maskulinen Milieu bemühten, ihre weiblichen Kollegen als Menschen wie alle anderen zu betrachten.
»Lawrence? Der Name sagt mir etwas.«
Wieder überkam sie Angst.
»Er ist sehr verbreitet«, erwiderte sie hastig.
»Sie sind etwas nervös, aber es wird schon klappen, Sie werden sehen.«
Ann zwang sich, tief durchzuatmen. Als sich die Türen öffneten, stieg sie als Erste aus und verabschiedete sich mit einem vagen »bis später«.
Lieutenant Woodruff würde etwas später kommen. Seine Assistentin bat Ann, Platz zu nehmen und zu warten. Diese versuchte sich zu erinnern, was sie über den Mann wusste, der den Ermittlern des Kommissariats vorstand. Mit dreißig Jahren war er noch ziemlich jung für einen solchen Posten. Doch die Aufklärungsrate seiner Abteilung war hervorragend und hatte einen ausgezeichneten Ruf. Ann hoffte, einen guten Eindruck zu machen, der erste war entscheidend … Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie wurde hereingebeten.
Lieutenant Woodruff hatte ein pausbäckiges Gesicht, wodurch er noch jugendlicher wirkte, als sie erwartet hatte.
»Guten Tag«, sagte er knapp.
Er kompensiert sein jungenhaftes Aussehen durch einen markigen Ton, analysierte sie sofort.
»Sie sind Ann Lawrence«, fuhr er fort, die Augen auf seine Akte geheftet. »Vierundzwanzig Jahre, Bachelor in Psychologie?«
»Ja.«
»Interessant …«
Er hob den Blick und sah sie an.
»Ihr Name … kommt mir irgendwie bekannt vor.«
Sie zuckte zusammen. Hoffentlich stellte er keine Verbindung her. Das war nicht der geeignete Augenblick … Einer NLP-Technik folgend, versuchte sie, sich mit ihrem Gegenüber zu synchronisieren. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und strich mit der Hand über sein Kinn. Sie tat es ihm gleich und bemühte sich, ihren Atemrhythmus dem seinen anzupassen.
»Es gab einen Senator in unserer Familie …«
»Das wird es vermutlich sein. Aber egal. Sie wissen sicher, wie man die Angehörigen des NYPD nennt?«
»Die Besten …«
»Seit zwei Jahren hat unsere Einheit bei der Verbrechensvorbeugung die besten Ergebnisse der Stadt. Ihnen sollte klar sein, dass Sie hier bei den Besten der Besten sind.«
Er lächelte ihr zu.
»Willkommen im Team, Miss Lawrence.«
Ann entspannte sich.
»Sie scheinen mir ein guter Neuzugang«, fügte er hinzu, während er in seiner Schreibtischschublade kramte. »Fürs Erste teile ich Sie meinem besten Mann zu. Jeff Mulligan. Bei ihm lernen Sie Ihr Handwerk.«
Er reichte ihr einen Gegenstand.
»Ihre Dienstmarke.«
Bewegt nahm sie die Plakette der Detectives entgegen, von der jeder Polizist träumte.
»Ich werde mich ihrer würdig erweisen, Sir.«
Woodruff hatte sich schon wieder in seine Akten vertieft und schenkte ihr keine weitere Beachtung.
»Was! Sie sollen mit Mulligan arbeiten?«
»Ja, und?«
»Ach nichts, Sie werden schon sehen … Am besten warten Sie hier auf ihn.«
Ann befand sich in der Cafeteria des Reviers. Ein Ermittler hatte ihr geraten, dort ihr Glück zu versuchen. Seit einer halben Stunde suchte sie vergeblich nach ihrem neuen Vorgesetzten.
»Aber wo bleibt er denn?«
»Das weiß niemand.«
Der Mann, der ihr das sagte, war ein Detective um die vierzig. Auf seinem Gesicht lag ein desillusioniertes Lächeln mit merkwürdig nach unten
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