Tödliche Ewigkeit
nicht lebend raus«, stieß er hervor.
»Raúl«, fiel Teresa ein, »die beiden sind von der amerikanischen Polizei.«
»Wir ermitteln im Zusammenhang mit einem Mord über die Aktivitäten von Professor Irkalla. Sie müssen uns alles sagen, was Sie wissen.«
Raúl steckte die Waffe ein.
»Ich habe nicht mehr die Kraft zu kämpfen«, sagte er leise und ließ sich in einen Sessel fallen.
Teresa brachte ihm ein Glas Wasser und wischte sein Gesicht ab. Guillermo kletterte auf seinen Schoß, und Raúl schloss ihn in die Arme. Völlig erschöpft streichelte er ihn eine Weile und flüsterte seinen Namen. Der Junge, der erstaunlich ruhig war, gab sich den Liebkosungen hin und umklammerte den Zeigefinger seines Vaters. Es war, als würde er sich von diesem Körper nähren, der ihm so lange vorenthalten gewesen war und den er augenblicklich wiedererkannt hatte.
Dann sagte seine Mutter leise, es sei Zeit, ins Bett zu gehen. Ohne Widerspruch ließ sich der Kleine ins Nebenzimmer führen.
Teresa kam zurück.
Nun begann Raúl zu erzählen, und die anderen lauschten ihm atemlos. Jeff übersetzte für Ann.
Bei der Schilderung all der Abscheulichkeiten dieses »Gottes in Weiß«, der sich anmaßte, über Leben und Tod seiner Patienten zu entscheiden, hatte Ann Mühe, ihren Zorn zu zügeln.
Auch Jeff hatte die Fäuste geballt.
Espejo wollte gerade auf seine Flucht zu sprechen kommen.
Doch dazu blieb ihm keine Zeit mehr.
Denn in Teresas kleinem Häuschen war plötzlich die Hölle los.
VIERTER TEIL
… mein Freund ist zu Erde geworden!
Werde nicht auch ich wie er mich
niederlegen müssen und nicht wieder
aufstehen in alle Ewigkeit?
Gilgamesch-Epos
(um 2400 v. Chr.)
Meine Geliebte in alle Ewigkeit,
mein Werk ist Dir gewidmet.
Alles, was ich erschaffen habe, habe ich nur für Dich getan, nur für Dich vollbracht.
Damit jene, die von allen lebenden Frauen die stärkste war, durch die Schmach ihres Todes zum Quell ewigen Lebens der Menschheit werde …
Der Erste, der seinen Körper in den Dienst der Wissenschaft stellte, hieß Walter Azarro. Als ich ihn kennenlernte, war er ein obdachloser Bettler. Dennoch war er ein Mann mit einer gewissen Bildung, der sich von Anfang an über die Bedeutung des Werkes, das er vollbringen würde, im Klaren war. Er war bereit, bei mir zu leben. Unsere Zusammenarbeit währte sieben Monate. Mit seinem Tod verlor ich den Schlaf auf ewig.
Den Nächsten behielt ich nicht länger als zwölf Tage. Eine Unachtsamkeit meinerseits. Beseelt von dem Wunsch, Leben zu retten, wollte ich zu rasch voranschreiten. So kam es, dass James Axford der Einzige ist, dessen Opfer keinerlei bedeutende wissenschaftliche Erkenntnis lieferte. Das habe ich mir nie verziehen.
Bill Watkins, Andy Wilmore, Shirley Hargreaves … Meine ersten Entdeckungen. Mein erster Erfolg. Shirley war eine entzückende alte Lady, deren einziger Sohn an der Wall Street arbeitete. Sie bettelte vor einem Supermarkt. Sie war so kokett, mir nie ihr wahres Alter zu gestehen. Ihr habe ich meinen ersten wirklich wirksamen Cocktail zu verdanken. Ich höre noch immer ihr leises Lachen, wenn sie sich im Spiegel betrachtete. Eines Morgens fand ich sie in ihrem Bett. Ihr Antlitz war friedlich. Sie atmete nicht mehr. Sie ist einen schönen Tod gestorben.
Wer es in seinem Leben zu Wohlstand gebracht hat, muss betrübt feststellen, dass Geld ihn vor allem bewahrt, nur nicht vor dem Altwerden. Meine erste Jungbrunnen-Pille verabreichte ich einigen nicht mehr ganz taufrischen Milliardärsfrauen. Alle waren davon hingerissen. Manche verrieten das Geheimnis ihren Ehemännern. So konnte ich sie in mein Projekt einweihen. Das Geld floss in Strömen.
Der Club war geboren.
Die Mitglieder wurden in einem rigorosen Auswahlverfahren mit größter Diskretion rekrutiert, der Club wuchs rasch. Als Gegenleistung für großzügige Spenden profitierte jedes der Mitglieder von meinen neuesten, an Menschen getesteten Entdeckungen.
Sechs Jahre lang diente mir eine einsame Ranch in Illinois als Labor. Eine Herde und ein paar Cowboys, die dort ihre Arbeit verrichteten, waren eine ausgezeichnete Tarnung. Meine Handlanger sorgten für die nötige Ruhe und verschafften mir neue Mitarbeiter.
Meine wissenschaftlichen Erfolge boten mir die Möglichkeit, ganz offiziell ein Behandlungszentrum zu eröffnen. Somit war ich in der Lage, einerseits meine Verfahren zu vermarkten und andererseits weitere Forscher zu finden. So entstand die
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