Tödliche Ewigkeit
gewöhnlich glaubt.«
Es herrschte Schweigen, das Ann nach einer Weile brach.
»Und was genau suchen Sie in Juárez?«
»Ich bin sicher, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Killer aus Juárez, den Aktivitäten von Professor Irkalla und dem Verschwinden von Leticias Cousin gibt.«
»Und dem Mord an Lucie Milton?«
»Und dem Mord an Lucie Milton.«
»Und was machen wir dort?«
»Wir werden Nachforschungen über das Verschwinden von Raúl Espejo anstellen. Der Mann, der seine Entführung veranlasst hat, ist vermutlich auch Lucies Mörder.«
»Jeff, antworten Sie mir ganz ehrlich: Haben Sie nach polizeilicher Logik einen einzigen rationalen Grund für Ihre Vermutungen?«
Jeff zögert kurz.
»Eigentlich nicht.«
Ann warf den Kopf zurück, um ihren Nacken zu entspannen.
»Und ich nehme an, das stört Sie nicht weiter?«
»Es stört mich nicht mehr .«
Verärgert stieg Ann mit Jeff ins Flugzeug. Innerlich verfluchte sie ihn und seinen absurden Aberglauben, mit dem er diese Reise rechtfertigte. Aber natürlich war es sinnlos, darüber zu reden, denn der mystische Wahn, dem er verfallen war, raubte ihm jegliche Kritikfähigkeit.
Doch nach und nach wandte sich ihr Zorn gegen sie selbst. Warum warf sie ihm vor, sie in ein irrationales und gefährliches Abenteuer zu verstricken, wo sie doch selbst keinen triftigen Grund hatte, ihm zu folgen? Warum saß sie jetzt in zehntausend Meter Höhe neben ihm? Die Antwort war einfach.
Weil sie sich nur an seiner Seite wohlfühlte.
Lebendig.
Ganz sie selbst war.
Ann flog nach Juárez, weil sie verliebt war.
Genau wie Jeff.
Der einzige Unterschied war, dass sie einen Lebenden liebte und er eine Tote.
Verstohlen beobachtete sie ihn aus den Augenwinkeln. Die Euphorie ihres Begleiters hatte sich gelegt. Den Blick ins Leere gerichtet, hing er seinen Gedanken nach. Sicher träumte er von Lucie.
Anns Ärger war einer tiefen Traurigkeit gewichen.
Und Jeff war in düsterste Schwermut versunken. Denn jetzt wusste er, warum Lucie im Augenblick ihres Todes ihm und nicht jemand anderem erschienen war.
Da er Leticia kannte, war er der Einzige, der die Verbindung zwischen so entfernten Elementen wie dem Mord an Lucie und den Verschwundenen in Juárez herstellen konnte.
Das letzte Zeichen von Lucie, das er zunächst voller Glück aufgenommen hatte, war der Beweis dafür, dass sie ihn nur aus diesem Grunde gewählt hatte.
Nicht um seiner selbst willen .
Am Spätnachmittag landeten sie in Tucson. Von dort begaben sie sich zum Grenzposten El Paso, den sie ohne Kontrolle passierten. Ann bemerkte, dass der Grenzübertritt zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko viel einfacher sei, als sie sich vorgestellt hatte. In diese Richtung ja, erklärte Jeff. Die Einreise in die USA aber sei mit scharfen Kontrollen verbunden. Deshalb versuchten Tausende illegaler Immigranten ihr Glück auf dem Weg durch die Wüste. Manche verhungerten, verdursteten oder starben durch die Kugeln hinterhältiger Schlepper. Andere wurden von der amerikanischen Polizei aufgelesen und, ärmer als zuvor, wieder nach Hause zurückgeschickt. Und die, die es bis in die USA schafften … Er erzählte Ann die Geschichte von Leticia.
Sie hatte Jeff den vollständigen Namen von Raúl Espejos Ehefrau gegeben, die dieser am Tag seines Verschwindens hatte treffen wollen: Teresa Esteban Morales. Aber sie kannte Teresas Adresse in Juárez nicht.
»Wie sollen wir sie dann finden?«, fragte Ann.
»Ganz einfach«, gab Jeff zurück.
Er betrat ein Polizeirevier, sagte ein paar Sätze auf Spanisch, die Ann nicht verstand, und ging wieder.
»Morgen Nachmittag haben wir alle nötigen Informationen.«
»Gibt es ein Zusammenarbeitsabkommen zwischen der amerikanischen und der mexikanischen Polizei?«
Jeff brach in schallendes Gelächter aus. Ihre berufliche Unerfahrenheit stand in einem rührenden Gegensatz zu dem Mut und der Entschlossenheit, die sie an den Tag legte.
»Sie sind süß! Die Polizisten von Juárez sind mit die korruptesten der Welt, und ein amerikanischer Cop ist ihnen völlig gleichgültig, selbst wenn es der Leiter des FBI höchstpersönlich wäre. Ich habe in der Sprache mit ihnen gesprochen, die sie verstehen.«
»Und welche ist das?«, fragte Ann.
Jeff zog ein Bündel grüner Geldscheine aus der Tasche und wedelte damit, was allgemeine Aufmerksamkeit erregte.
»Die einzige allgemein gültige Sprache.«
Sie nahmen zwei Zimmer in einem kleinen Hotel und sahen sich dann im Stadtzentrum um.
Die
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