Tödliche Geschäfte
viel zu sehr auf Janet konzentriert, um den dunkelgrünen Mercedes zu bemerken, der ihnen ohne Licht langsam folgte.
7
Samstag, 6. März, 4.45 Uhr
Als Sean die Augen aufschlug, war er sofort hellwach. Er konnte es kaum erwarten, dem Geheimnis der Medulloblastom-Therapie weiter auf den Grund zu gehen. Die wenigen Tests, die er am Abend zuvor hatte durchführen können, hatten seinen Appetit erst richtig geweckt. Trotz der frühen Stunde schlüpfte er leise aus dem Bett, duschte und zog sich an.
Als er bereit war, zum Forschungszentrum aufzubrechen, schlich er auf Zehenspitzen in das verdunkelte Schlafzimmer und stupste Janet sanft an die Schulter. Er wußte, daß sie gerne so lange wie möglich schlief, doch er wollte ihr noch etwas sagen.
Janet wälzte sich im Bett und stöhnte: »Ist es schon Zeit zum Aufstehen?«
»Nein«, flüsterte Sean. »Ich fahre jetzt ins Labor. Du kannst noch ein paar Minuten weiterschlafen. Ich wollte dich nur daran erinnern, ein paar Sachen für unseren Wochenendausflug nach Naples einzupacken. Ich möchte heute nachmittag direkt nach deinem Feierabend aufbrechen.«
»Warum werde ich bloß das Gefühl nicht los, daß du irgendwelche Hintergedanken bei der Sache hast?« fragte Janet und rieb sich die Augen. »Was ist in Naples?«
»Das erzähle ich dir unterwegs«, sagte Sean. »Wenn wir direkt vom Forbes-Zentrum losfahren, vermeiden wir den Wochenendverkehr aus Miami in Richtung Süden. Du brauchst nicht viel einzupacken. Nur etwas, das du zum Abendessen tragen kannst, einen Badeanzug und Jeans. Und noch was«, fügte Sean hinzu und beugte sich über sie.
Janet sah ihm in die Augen.
»Ich möchte, daß du heute morgen eine Probe von Louis Martins Medikament besorgst«, sagte er.
Janet richtete sich auf. »Toll!« rief sie sarkastisch. »Und wie soll ich das anstellen? Ich hab dir doch erzählt, daß es schon schwierig war, Helens Medikamentenproben zu beschaffen.«
»Nun beruhige dich doch«, sagte Sean. »Versuch es einfach. Es könnte wichtig sein. Du hast doch gesagt, daß du glaubst, daß alle Medikamente aus ein und demselben Vorrat stammen. Ich brauch nicht viel, und auch nur aus der größeren Flasche. Ein paar Tropfen würden völlig reichen.«
»Die Ausgabe dieser Medikamente wird strenger kontrolliert als die der Narkotika«, entgegnete Janet.
»Wie wär’s, wenn du es mit einer Salzlösung verlängerst?« schlug Sean vor. »Du weißt schon, der alte Trick, Wasser in die Schnapsflaschen der Eltern zu füllen. Es fällt bestimmt nicht auf, daß die Konzentration sich verändert hat.«
Janet dachte darüber nach. »Meinst du, es könnte dem Patienten schaden?«
»Ich wüßte nicht, wie«, sagte Sean. »Höchstwahrscheinlich gibt es ohnehin einen breiten Sicherheitsspielraum.«
»Na gut, ich werde es versuchen«, sagte Janet, immer noch widerwillig. Sie haßte es, Marjorie zu betrügen. »Mehr verlange ich ja gar nicht«, sagte Sean und küßte sie auf die Stirn.
»Jetzt kann ich bestimmt nicht mehr einschlafen«, nörgelte sie, als er sich anschickte zu gehen.
»Am Wochenende können wir jede Menge Schlaf nachholen«, versprach er.
Als Sean zu seinem Jeep ging, dämmerte von Osten das erste Morgengrau heran. Nach Westen hin funkelten noch immer Sterne am Himmel, als wäre es tiefe Nacht.
Als er losfuhr, waren seine Gedanken schon bei der vor ihm liegenden Laborarbeit, so daß er seine Umgebung gar nicht richtig wahrnahm. Wieder bemerkte er den dunkelgrünen Mercedes nicht, der sich etliche Wagen hinter ihm in den fließenden Verkehr einfädelte.
In dem Mercedes wählte Wayne Edwards von seinem Autotelefon die Nummer von Sterling Rombauer im Grand Bay Hotel in Coconut Grove.
Nach dem dritten Klingeln nahm ein schläfriger Sterling ab.
»Er hat den Bau verlassen und fährt Richtung Westen«, sagte Wayne. »Vermutlich zum Forbes-Zentrum.«
»Okay«, sagte Sterling. »Bleiben Sie dran. Vor einer halben Stunde hat mich die Information erreicht, daß sich der Sushita-Jet in diesem Augenblick gen Süden in die Lüfte erhebt.«
»Hört sich an, als ob es richtig losgeht«, meinte Wayne.
»Das vermute ich auch«, sagte Sterling.
Anne Murphy war wieder deprimiert. Charles war zwar nach Hause gekommen, jedoch nur eine Nacht geblieben. Und jetzt wirkte die Wohnung einsam. Es war so angenehm, mit ihm zusammenzusein, er war so ruhig und so nahe bei Gott. Sie lag noch immer im Bett, und als es klingelte, fragte sie sich, ob sie aufstehen
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