Tödliche Geschäfte
Reaktion lavendelblau zu erscheinen.
Die ganze Zeit erklärte Sean Janet, was er gerade tat. Sie hatte schon von derartigen Tests gehört, jedoch noch nie bei einem zugesehen.
»Treffer!« rief Sean, als sich eine der zahlreichen Vertiefungen so verfärbte, daß der Farbton dem in den Kontrollmulden entsprach, die Sean in den Vertiefungen am Ende einer Reihe angelegt hatte. »Das unbekannte Medikament ist nicht mehr unbekannt. Es ist ein menschliches Immunglobulin namens IgG 1.«
»Wie hat das Forbes-Zentrum es hergestellt?« fragte Janet.
»Das ist eine gute Frage«, sagte Sean. »Vermutlich mit Hilfe eines monoklonalen Antikörpers. Obwohl es auch nicht völlig ausgeschlossen ist, IgG 1 durch die Rekombination von DNA zu erlangen. Das Problem ist, daß es ein sehr großes Molekül ist.«
Janet hatte immerhin eine vage Ahnung, wovon Sean sprach, und ihr Interesse an dem Prozeß zur Identifikation des unbekannten Medikaments war definitiv erwacht, aber plötzlich ließ sich ihre physische Erschöpfung nicht länger ignorieren. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und wußte sofort warum. Es war fast Mitternacht.
Einerseits wollte sie Seans Begeisterung, die sie selbst unter so großen Mühen angefacht hatte, nicht wieder dämpfen, andererseits war sie wirklich todmüde. Sie faßte sanft seinen Arm. In der Hand hielt er eine Pasteur-Pipette. Er hatte eine zweite ELISA-Plakette für das andere unbekannte Medikament vorbereitet.
»Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?« frage Janet ihn.
Sean warf einen Blick auf seine Uhr. »Sag ich doch, wenn man sich amüsiert, vergeht die Zeit wie im Flug.«
»Ich muß morgen arbeiten«, sagte sie. »Ich muß ein paar Stunden Schlaf kriegen. Aber ich kann auch allein zu meiner Wohnung zurückfahren.«
»Nicht um diese Uhrzeit«, sagte Sean. »Laß mich das hier noch eben fertigmachen, dann will ich schnell einen Immunfluoreszenz-Test durchlaufen lassen, um zu sehen, wie intensiv das IgG 1 mit Helens Tumorzellen reagiert. Die Verdünnung läuft automatisch. Ich brauche nur ein paar Minuten.«
Widerwillig gab Janet nach, auch wenn sie kaum noch aufrecht auf ihrem Hocker sitzen konnte. Statt dessen holte sie sich einen Sessel aus dem Glaskasten-Büro. Knapp eine halbe Stunde später wurde Sean regelrecht euphorisch. Der ELISA der zweiten Unbekannten hatte drei Zytokinine identifiziert: Interleukin-2, ein T-Lymphozytenwachstumsfaktor, wie er Janet erklärte, Gewebenekrosefaktor-Alpha, der bestimmte Zellen stimulierte, körperfremde Zellen wie beispielsweise Tumorzellen zu zerstören, sowie Interferon-Gamma, eine Substanz, die offenbar das gesamte Immunsystem stimulierte.
»Sind diese T-Zellen nicht die, die bei AIDS zerstört werden?« fragte Janet, die zunehmend Schwierigkeiten hatte, sich wach zu halten.
»Genau«, sagte Sean. Er hielt jetzt eine Reihe von Objektträgern, auf denen er Immunfluoreszenz-Tests in verschiedenen Verdünnungen des unbekannten Immunglobulins hatte durchlaufen lassen. Er nahm einen Objektträger mit hoher Verdünnung, schob ihn unter das Objektiv des Fluoreszenzmikroskops und blickte hindurch.
»Wow!« rief er. »Die Intensität der Reaktion ist unvorstellbar. Selbst in einer Verdünnung von eins zu zehntausend ist die Reaktion dieses IgG 1-Antikörpers mit dem Tumor vierfach positiv. Janet, komm her und sieh dir das an!«
Als Janet nicht reagierte, blickte Sean von seinem Binokularmikroskop auf. Janet saß zusammengesunken in dem Sessel und war eingeschlafen.
Als Sean sie so sah, erfaßte ihn ein drängendes Schuldgefühl. Er hatte keinen Moment daran gedacht, wie erschöpft sie sein mußte. Er stand auf und streckte seine müden Arme. Dabei ging er zu Janet herüber und betrachtete sie. In dieser Haltung wirkte sie besonders engelhaft. Ihr feines blondes Haar rahmte ihr Gesicht. Sean hätte sie sehr gerne geküßt. Statt dessen rüttelte er sanft an ihrer Schulter.
»Komm«, flüsterte er. »Laß uns zusehen, daß wir dich ins Bett bringen.«
Janet saß schon angeschnallt in seinem Wagen, als ihr schläfriges Gehirn sich daran erinnerte, daß sie am Morgen mit dem eigenen Wagen hergekommen war, was sie jetzt auch Sean erklärte.
»Kannst du denn noch fahren?« fragte er.
Sie nickte. »Ich will mein Auto«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Sean fuhr herüber zum Parkplatz der Klinik und ließ sie aussteigen. Er wartete, bis sie den Wagen angelassen hatte, und ließ sie vorfahren. Als sie auf die Straße bogen, war er
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