Tödliche Geschäfte
ging Sean direkt auf Janets Station. Von ihren Kolleginnen erfuhr er, daß sie in Zimmer 503 war, um Ms. Mervin ihre Medikamente zu verabreichen. Sean ging den Flur hinunter zum Zimmer 503. Er konnte es nicht erwarten, ihr die guten Nachrichten zu überbringen.
Sie war gerade dabei, ein Antibiotikum in Ms. Mervins IV-Lösung zu injizieren.
»Hallo, Fremder«, sagte Janet, als sie Sean erblickte. Sie war froh, ihn zu sehen, obwohl sie offensichtlich beschäftigt war. Sie stellte ihn Ms. Mervin vor und erzählte ihr, daß er einer der Medizinstudenten von Harvard sei.
»Ihr Jungs seid einfach süß«, sagte Ms. Mervin. Sie war eine ältere Dame mit weißem Haar, rosigen Wangen und blitzenden Augen. »Sie dürfen mich jederzeit besuchen«, sagte sie kichernd.
Janet zwinkerte Sean zu. »Ms. Mervin geht es schon besser.«
»Das sehe ich«, meinte Sean.
Janet notierte etwas auf einer Karteikarte und steckte sie wieder in ihre Tasche. Sie nahm das Tablett mit den Medikamenten, verabschiedete sich von Ms. Mervin und sagte ihr, sie solle klingeln, wenn sie irgend etwas brauchte.
Im Flur mußte Sean sich sputen, um mit Janet Schritt zu halten.
»Ich muß unbedingt mit dir reden«, sagte er, als er sie eingeholt hatte. »Für den Fall, daß du dir das nicht sowieso schon gedacht hast.«
»Ich würde mich schrecklich gern mit dir unterhalten«, sagte Janet, »aber im Moment habe ich echt viel zu tun. Gleich kommt die Übergabe, und ich muß vorher noch diese Medikamente austeilen.«
»Die Jury hat der Anklageerhebung gegen das Forbes-Zentrum zugestimmt«, sagte Sean.
Janet blieb stehen und schenkte ihm ein breites, warmherziges Lächeln.
»Das ist ja fantastisch!« rief sie. »Das freut mich. Und ich bin stolz auf dich. Das muß doch ein Triumph für dich sein.«
»Brian sagt, es ist ein erster wichtiger Schritt«, sagte Sean. »Auch gegen Dr. Levy wird Anklage erhoben, obwohl man sie seit der ominösen Pressekonferenz von Dr. Mason weder gesehen noch von ihr gehört hat. Kein Mensch hat eine Ahnung, wo sie steckt. Zwei weitere Ärzte der Klinik und die leitende Oberschwester Margaret Richmond sind ebenfalls angeklagt worden.«
»Es fällt mir noch immer schwer, das alles zu glauben«, sagte Janet.
»Nur, solange man nicht weiß, wie dankbar die Medulloblastom-Patienten der Forbes-Klinik gewesen sind«, sagte Sean. »Bis wir der Sache ein Ende gemacht haben, hatte sie bereits mehr als sechzig Millionen Dollar an praktisch zweckungebundenen Spenden kassiert.«
»Was passiert jetzt mit der Klinik?« fragte Janet und warf einen Blick auf ihre Uhr.
»Das Krankenhaus ist von einem Konkursverwalter übernommen worden«, erwiderte Sean, »das Forschungsinstitut ist geschlossen worden. Und falls es dich interessiert, die Japaner sind bei dem Schwindel genauso reingelegt worden. Sie hatten nichts damit zu tun. Nachdem der Deckel hochgegangen ist, haben sie ihre Verluste abgeschrieben und sich aus dem Staub gemacht.«
»Wegen der Klinik tut es mir leid«, sagte Janet. »Ich finde, daß es ein gutes Krankenhaus ist. Ich hoffe, sie schaffen es.«
»Und noch etwas«, sagte Sean. »Erinnerst du dich noch an den Verrückten, der uns am Strand aufgelauert und uns halb zu Tode erschreckt hat? Er heißt Tom Widdicomb und ist verrückter als der verrückte Hutmacher. Er hatte seine tote Mutter zu Hause in der Kühltruhe liegen. Er sagt, sie hat ihm befohlen, alle Brustkrebspatientinnen im fortgeschrittenen Stadium mit Succinylcholin einzuschläfern. Seine Mutter hatte dieselbe Krankheit.«
»Mein Gott«, sagte Janet. »Das ist es also, was mit Gloria D’Amataglio passiert ist.«
»Sieht ganz so aus«, sagte Sean. »Und mit einer Reihe von weiteren Patientinnen.«
»Ich kann mich sogar an Tom Widdicomb erinnern«, sagte Janet. »Er war der Mann vom Reinigungsdienst.«
»Und du hast ihn genervt«, meinte Sean. »In seinem verdrehten Gehirn war er offenbar fest davon überzeugt, daß du geschickt worden bist, ihn aufzuhalten. Deswegen war er hinter dir her. Man vermutet, daß er auch derjenige war, der dich in deinem Badezimmer in der Forbes-Residenz überfallen hat, und er ist uns ganz bestimmt in die Leichenhalle des Miami General Hospital gefolgt.«
»Gütiger Gott!« rief Janet. Die Vorstellung, daß sie von einem Psychopathen verfolgt worden war, machte ihr auch im nachhinein noch angst und erinnerte sie wieder daran, daß nichts von dem, was in Florida geschehen war, so gewesen war wie in den Träumen, die sie bewogen
Weitere Kostenlose Bücher