Tödliche Geschäfte
etwas gelegt.
Als sie jetzt gegen Viertel nach zwei durch die Tür kam, stellte sie entsetzt fest, daß Helens Kopf zur Seite gerollt war. Als sie sich dem Bett näherte, fiel ihr etwas noch weit Beunruhigenderes auf: Die Atmung der Patientin ging unregelmäßig, und zwar auf eine Art, die eine ernsthafte neurologische Dysfunktion nahelegte. Janet rief den Schwesterntresen an und erklärte Tim, daß sie unverzüglich mit Dr. Mason sprechen müsse.
»Helen Cabot zeigt Cheyne-Stockes-Atmung«, erklärte Janet, als Marjorie in der Leitung war.
»Oh, nein!« rief Marjorie. »Ich alarmiere den Neurologen und Dr. Mason.«
Janet zog das Kissen weg und bettete Helens Kopf eben. Dann nahm sie die kleine Taschenlampe, die sie stets bei sich trug, und leuchtete damit in Helens Pupillen. Sie waren ungleich. Die eine war geweitet und reagierte nicht auf das Licht. Janet schauderte. Sie hatte über derartige Symptome gelesen und vermutete, daß der Druck in Helens Schädel so stark angestiegen war, daß Gehirnteile aus dem oberen Kompartment ins untere gepreßt wurden, eine lebensgefährliche Entwicklung.
Janet richtete sich auf und verlangsamte Helens Infusion auf die kleinste Stufe. Für den Augenblick war das alles, was sie tun konnte.
Bald trafen weitere Helfer ein. Als erste kamen Marjorie und zwei Schwestern, dann der Neurologe, Dr. Burt Atherton, und der Anästhesist, Dr. Carl Seibert. Die Ärzte begannen, Befehle zu bellen, und versuchten, den Druck in Helens Schädel abzusenken. Schließlich traf auch Dr. Mason ein, außer Atem von seinem langen Weg aus dem Forschungsgebäude.
Janet hatte zwar schon mit dem Direktor der Klinik telefoniert, ihn jedoch noch nie persönlich getroffen. Er war nominell verantwortlich für Helens Fall, doch in dieser akuten neurologischen Krise überließ er Dr. Atherton das Kommando.
Leider war keine der Notfallmaßnahmen erfolgreich, Helens Zustand verschlechterte sich weiter, so daß nach Ansicht der Ärzte eine Notoperation unumgänglich war. Zu Janets Entsetzen wurden Vorkehrungen getroffen, Helen ins Miami General Hospital zu überführen.
»Warum wird sie verlegt?« fragte sie Marjorie, als beide einen Moment zur Ruhe kamen.
»Wir sind eine Spezialklinik«, erklärte Marjorie. »Wir haben keine neurochirurgischen Einrichtungen.«
Janet war schockiert. Helens Notoperation mußte schnell durchgeführt werden. Dafür brauchte man keine komplette neurochirurgische Ausstattung, sondern bloß einen OP-Saal und jemanden, der wußte, wie man ein Loch in einen Schädel bohrte. Bei all den Biopsien, die hier vorgenommen wurden, mußte doch irgendein Arzt der Forbes-Klinik dazu in der Lage sein.
Hektisch wurde Helens Abtransport vorbereitet. Sie wurde von ihrem Bett auf eine fahrbare Trage gelegt. Janet packte sie an den Füßen mit an und lief dann, die Infusionsflasche haltend, nebenher, als die Trage im Eiltempo zum Aufzug geschoben wurde.
Im Fahrstuhl verschlechterte sich Helens Zustand weiter dramatisch. Ihre Atmung, die zuvor noch unregelmäßig gegangen war, als Janet ihr Zimmer betreten hatte, setzte ganz aus. Helens blasses Gesicht lief rasch blau an.
Zum zweiten Mal an diesem Tag begann Janet mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung, während der Anästhesist brüllte, jemand solle einen endotrachealen Tubus und einen Ambubeutel besorgen, sobald sie das Erdgeschoß erreichten.
Als der Aufzug anhielt, rannte eine der Schwestern los, während die andere die Tür blockierte. Janet setzte ihre Beatmungsversuche fort, bis Dr. Seibert sie zur Seite drängte und den endotrachealen Schlauch plazierte. Als er ihn an den Ambubeutel angeschlossen hatte, begann er, Sauerstoff in Helens Lungen zu pumpen. Der blaue Schatten auf ihrem Gesicht nahm einen durchscheinenden Alabasterton an.
»Okay, auf geht’s«, rief der Arzt.
Sie schoben Helen auf die Rampe für die Krankenwagen und klappten das Rädergestell ein, bevor Janet und Dr. Seibert die Trage in den wartenden Wagen hievten, wo sich der Arzt weiter um Helens Atmung kümmerte. Die Türen wurden zugeworfen und gesichert.
Mit Blaulicht und Martinshorn schoß der Krankenwagen aus der Parkbucht und verschwand hinter dem Gebäude.
Janet drehte sich zu Marjorie um, die neben Dr. Mason stand und ihm tröstend die Hand auf die Schulter legte.
»Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Dr. Mason mit stockender Stimme. »Vermutlich hätte ich innerlich darauf vorbereitet sein müssen. Aber unsere Medulloblastom-Therapie war in letzter Zeit so
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