Tödliche Geschäfte
schon begriffen, daß sie tot ist«, sagte Sean tröstend. »Ich möchte auch nicht gefühllos klingen. Meine Reaktion ist eben auch eine Art, meinen Schmerz zu verbergen. Sie war ein wunderbarer Mensch. Es ist eine Schande. Und wenn man bedenkt, daß ihr Vater eine der größten Software-Firmen der Welt leitet.«
»Welchen Unterschied macht das schon?« fuhr Janet ihn an. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen.
»Keinen großen«, gab Sean zu. »So ist das eben, der Tod ist ein großer Gleichmacher. Alles Geld der Welt kann einem nicht helfen.«
»In dir steckt ja ein kleiner Philosoph«, sagte Janet schnippisch.
»Alle Iren sind Philosophen«, erwiderte Sean. »So ertragen wir die Tragik unseres Lebens.«
Sie saßen in der Kantine. Sean hatte sich sofort bereit erklärt zu kommen, als Janet ihn angerufen hatte. Sie hatte nach dem Übergabeprotokoll nicht gleich nach Hause fahren wollen und ihm erklärt, daß sie mit jemandem reden müsse.
»Ich wollte dich nicht aufregen«, fuhr Sean fort. »Aber es interessiert mich wirklich, wo ihre Leiche aufbewahrt wird. Ist sie hier?«
Janet verdrehte die Augen. »Nein, sie ist nicht hier«, sagte sie. »Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, wo sie genau ist. Aber ich vermute, im Miami General Hospital.«
»Warum denn das?« fragte Sean und beugte sich vor.
Janet erzählte ihm, was vorgefallen war, wobei sie sich erneut darüber empörte, daß das Forbes-Zentrum nicht in der Lage gewesen war, eine simple Kraniotomie durchzuführen.
»Sie hat in akuter Lebensgefahr geschwebt«, sagte Janet. »Man hätte sie nie transportieren dürfen. Sie haben es nicht mal mehr in den OP geschafft. Wir haben gehört, daß sie noch in der Notaufnahme gestorben ist.«
»Wie wär’s, wenn wir beide dort mal vorbeifahren?« schlug Sean vor. »Ich würde sie gern finden.«
Einen Moment lang dachte Janet, er würde einen Scherz machen. Sie verdrehte erneut die Augen, weil sie annahm, er würde wieder einen seiner makabren Witze reißen.
»Das ist mein Ernst«, sagte er. »Möglicherweise machen sie dort eine Autopsie. Ich hätte liebend gern eine Probe ihres Tumors. Und natürlich auch eine Blut- und eine Liquor-Probe, wenn wir schon mal dabei sind.«
Janet schüttelte sich vor Ekel.
»Komm schon«, sagte Sean. »Denk daran, daß wir das hier gemeinsam durchstehen wollten. Es tut mir auch leid, daß sie gestorben ist, wirklich - und das weißt du auch. Aber jetzt, wo sie tot ist, sollten wir uns auf die Wissenschaft konzentrieren. Du in deiner Schwesterntracht und ich in meinem weißen Kittel, wir können in dem Krankenhaus wahrscheinlich machen, was wir wollen. Wir sollten vielleicht für den Fall eines Falles ein paar Spritzen mitnehmen.«
»Für welchen Fall?« fragte Janet.
»Für den Fall, daß wir sie brauchen«, erwiderte Sean und zwinkerte verschwörerisch. »Man sollte immer auf alles vorbereitet sein«, fügte er noch hinzu.
Entweder war Sean der weitbeste Verkäufer, oder sie war so fertig, daß sie keinen Widerstand mehr aufbrachte. Fünfzehn Minuten später kletterte sie jedenfalls auf den Beifahrersitz seines Jeeps, um mit ihm zu einem Krankenhaus zu fahren, in dem sie noch nie gewesen war, in der Hoffnung, dort Hirngewebe einer Patientin zu entnehmen, die gerade gestorben war.
»Das ist er.« Durch die Windschutzscheibe seines Wagens zeigte er Wayne Edwards Sean Murphy. Wayne war ein imposanter Afroamerikaner, dessen Dienste Sterling gelegentlich in Anspruch nahm, wenn er geschäftlich im Süden von Florida zu tun hatte.
Wayne war ein Ex-Sergeant der Armee, Ex-Polizist und ehemaliger Kleinunternehmer, der sich in der Sicherheitsbranche selbständig gemacht hatte. Die Reihe seiner ehemaligen Beschäftigungen war ähnlich eindrucksvoll wie die Sterlings, und er machte sich seine breite Erfahrung jetzt in gleicher Weise nutzbar. Wayne war Privatdetektiv, und obwohl er sich auf Familienstreitigkeiten spezialisiert hatte, war er auch auf anderen Gebieten talentiert und erfolgreich. Sterling hatte ihn vor einigen Jahren kennengelernt, als sie beide für einen einflußreichen Geschäftsmann aus Miami gearbeitet hatten.
»Sieht aus wie ein harter Bursche«, meinte Wayne, der sich auf seine Menschenkenntnis einiges einbildete.
»Ich glaube schon«, sagte Sterling. »In Harvard war er Eishockey-Crack in der ersten Mannschaft. Hätte Profi werden können, wenn er gewollt hätte.«
»Und wer ist die Schnalle?«
»Offenbar eine der Schwestern«, sagte Sterling. »Über
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