Tödliche Geschäfte
erfolgreich. Mit jedem neuen Erfolg hatte ich mehr daran geglaubt, derartige Tragödien in Zukunft vermeiden zu können.«
»Das ist die Schuld der Leute in Boston«, sagte Ms. Richmond. Sie war kurz vor der Abfahrt des Krankenwagens aufgetaucht. »Die wollten nicht auf uns hören. Sie haben sie zu lange dortbehalten.«
»Wir hätten sie auf die Intensivstation legen sollen«, sagte Dr. Mason. »Aber ihr Zustand war so stabil.«
»Vielleicht können sie sie im Miami General Hospital retten«, sagte Marjorie angestrengt optimistisch.
»Das wäre ein Wunder«, meinte Dr. Atherton. »Sie hat ganz offensichtlich eine Herniation des Uncus in den Tentoriumschlitz, wodurch die Medulla oblongata komprimiert wird.«
Janet unterdrückte den Impuls, dem Mann zu sagen, er solle seine Meinung für sich behalten. Sie haßte die Art, wie manche Ärzte sich hinter ihrem Fachjargon versteckten.
Plötzlich und wie auf ein geheimes Stichwort drehte sich die gesamte Gruppe um und verschwand durch die Schwingtüren der Krankentransportrampe. Janet blieb allein draußen stehen und war froh, einen Moment für sich zu sein. Der Rasen vor dem Gebäude mit dem riesigen Banyan-Baum wirkte auf einmal ganz friedlich. Hinter der bengalischen Feige stand ein Baum in Blüte, wie ihn Janet noch nie zuvor gesehen hatte. Eine warme, fast tropische Brise strich über ihr Gesicht. Doch die Idylle wurde zerstört durch das Geheul des sich entfernenden Martinshorns. In Janets Ohren klang es wie eine Totenglocke für Helen Cabot.
Abwechselnd weinend und fluchend, lief Tom Widdicomb durch die Zimmer des Ranch-Hauses seiner Mutter. Er war so aufgewühlt, daß er nicht stillsitzen konnte. In einer Minute war ihm heiß, in der nächsten fror er erbärmlich. Er fühlte sich krank.
Er hatte sich sogar so krank gefühlt, daß er zu einem seiner Vorgesetzten gegangen war, um ihm genau das zu sagen. Der Mann hatte ihn nach Hause geschickt und gemeint, Tom sähe blaß aus. Er hatte sogar bemerkt, daß Tom zitterte.
»Sie haben das ganze Wochenende«, hatte er gesagt. »Legen Sie sich ins Bett und schlafen Sie sich gesund. Es ist wahrscheinlich eine leichte Grippe.«
Also war Tom nach Hause gegangen, hatte jedoch keine Ruhe gefunden. Das Problem war Janet Reardon. Sein Herz wäre fast stillgestanden, als er sie, kurz nachdem er Gloria eingeschläfert hatte, an deren Zimmertür klopfen hörte. Völlig panisch hatte er sich ins Bad geflüchtet, fest überzeugt, in die Enge getrieben zu sein. Er war so verzweifelt, daß er seine Waffe gezückt hatte.
Aber der allgemeine Aufruhr im Zimmer hatte ihm dann doch noch die Gelegenheit geboten zu entkommen. Niemand hatte ihn bemerkt, als er das Badezimmer verließ, und es war ihm gelungen, mit seinem Eimer ungesehen in den Flur zu gelangen.
Das Problem war, daß Gloria noch lebte. Janet Reardon hatte sie gerettet, und Gloria mußte weiter leiden, nur daß sie jetzt außerhalb seiner Reichweite lag. Sie war auf der Intensivstation, die Tom nicht betreten durfte.
Deswegen redete Alice nach wie vor nicht mit ihm. Tom hatte gebettelt und gefleht, aber ohne Erfolg. Alice wußte, daß Tom nicht an Gloria herankam, bis sie wieder von der Intensivstation auf ein Privatzimmer verlegt wurde.
Blieb immer noch Janet Reardon. Tom erschien sie wie eine Teufelin, die geschickt worden war, das Leben zu zerstören, das er und seine Mutter sich aufgebaut hatten. Er wußte, daß er sie loswerden mußte. Er wußte nur nicht, wo sie wohnte. Ihr Name war von dem Plan mit den Bewohnern der Residenz, der in der Verwaltung hing, entfernt worden. Sie war ausgezogen.
Tom sah auf seine Uhr. Er wußte, daß ihre Schicht zur selben Zeit endete, zu der auch seine geendet hätte: um drei Uhr. Aber er wußte auch, daß Krankenschwestern wegen des Übergabeprotokolls immer länger blieben. Er mußte auf dem Parkplatz sein, wenn sie herauskam. Dann konnte er sie bis nach Hause verfolgen und erschießen. Er war recht zuversichtlich, daß Alice, wenn ihm das gelang, ihr trotziges Schweigen brechen und wieder mit ihm sprechen würde.
»Helen Cabot ist tot!« wiederholte Janet und brach erneut in Tränen aus. Es war untypisch für sie, daß sie als Krankenschwester über den Tod einer Patientin weinte, aber heute war sie empfindlich, weil der Tag von gleich zwei Tragödien überschattet war. Außerdem fand sie Seans Reaktion frustrierend. Er schien sich mehr für den Aufenthaltsort der Leiche zu interessieren als für Helens Tod.
»Ich habe
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