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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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selbst kroch ebenfalls unter die Decke, ohne den Überwurf zu entfernen. Der Junge gegenüber hatte aufgehört, seine Runden zu drehen.

PARIS
    FREITAG, 26. SEPTEMBER
    Die Anwältin Sarah Rachid spähte über den Platz hinweg zum Restaurant, in dem ich saß. Ich erriet sofort, dass sie es war. Etwas an ihrer Eile, ihren Schritten sagte es mir.
    »Eigentlich habe ich keine Zeit für so was«, begrüßte sie mich, nachdem ich sie zu meinem Tisch gewunken hatte. Sie setzte sich und streifte ein paar feine Handschuhe ab, ich registrierte einen einfachen Ehering aus Gold.
    »Es ist wahnsinnig nett, dass Sie sich mit mir treffen«, sagte ich.
    Sarah Rachid musterte mich misstrauisch und richtete ihren Blick dann auf die Tageskarte, die auf einer Schiefertafel angeschrieben war. Auch über die Gerichte schien sie nicht sonderlich begeistert.
    Ihre Antwort auf meine Mail war kühl und förmlich gewesen. Sie schrieb, dass sie keine Zeit habe. Aufgrund ihrer anwaltlichen Schweigepflicht könne sie sich nicht äußern. Wenn es unbedingt nötig sei, könne sie das bei einem Mittagessen näher erläutern. Eigentlich habe sie keine Zeit (wie sie ein zweites Mal schrieb), aber sie werde am heutigen Freitag um dreizehn Uhr sowieso im Patio’s Place auf dem Place de la Sorbonne essen.
    Und am Ende ein förmliches: Bitte bestätigen Sie den Erhalt dieser Nachricht.
    Sarah Rachid winkte den Kellner zu sich.
    »Ich verstehe nicht, warum Patrick meinen Namen weitergegeben hat«, sagte sie. »Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht zitiert werden will.«
    »Also kennen Sie ihn?«
    »Warum fragen Sie das?«
    Der Kellner brachte einen Brotkorb und zwei Wasserflaschen. Sarah Rachid bestellte das Tagesgericht, Cassoulet de Maison, und ich tat es ihr gleich, ohne zu wissen, was sich hinter dem Namen verbarg. Schweigend brachen wir beide ein Stück von unserer Brotscheibe ab.
    »Ich habe von diesem Fall mit dem Mädchen gelesen, das als Haushaltssklavin gehalten wurde«, sagte ich, um sie ein wenig aus der Reserve zu locken. »Es ist einfach fantastisch, dass Sie ihr helfen konnten, eine Entschädigung einzuklagen.«
    »Ich spreche grundsätzlich nie über meine Fälle.«
    »Aber ich habe gesehen, dass Sie sich der Zeitung gegenüber geäußert haben. Es muss doch ein großer Erfolg für Sie gewesen sein.«
    »Ich wusste vorher nicht, dass sie mich zitieren würden.«
    Zwei dampfende Schüsseln mit Fleisch und Gemüse in einer fettigen Sauce wurden vor uns auf den Tisch gestellt.
    »Ich bin Juristin und widme mich ganz meinem Beruf«, erklärte Sarah Rachid und tunkte das Brot in die Sauce. »Ich benutze die Medien nicht als Plattform, um meine Argumente auszuspielen. Ich bin der Meinung, dass in diesem Land die Gerichte Recht sprechen sollten, nicht die Presse, das Radio oder das Fernsehen.« Sie warf mir einen feindseligen Blick zu. »Sie mögen meinen Standpunkt vielleicht altmodisch finden.«
    »War Patrick auch dieser Meinung? Oder wollte er, dass Sie sich äußern?«
    »Er hatte Verständnis, als ich sagte, dass ich es nicht wollte. Davon abgesehen war ich ihm nur mit ein paar Fakten behilflich. Er versprach mir, dass das vollkommen off the record laufen würde .«
    »Was denn?«
    »Wie bitte?«
    »Was war off the record ?«, fragte ich. «Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen all diese Fragen stelle, aber wir können Patrick derzeit nicht erreichen.«
    Sarah Rachid tupfte sich den Mundwinkel mit der Serviette abund wandte den Blick ab. Ihr Gesicht war länglich und die Mundwinkel zeigten nach unten. Das verlieh ihr ein missmutiges Aussehen, was dadurch verstärkt wurde, dass sie wirklich sauer war.
    Ich stocherte in meinem Eintopf herum und biss in etwas, das aussah wie ein kleines Hühnerbein und einen strengen, intensiven Geschmack hatte.
    »Was für ein Vogel ist das hier eigentlich?«
    Sarah Rachid warf einen schnellen Blick auf den Knochen, von dem die fettige Brühe herabtropfte.
    »Kaninchen«, sagte sie.
    Ich ließ das Tier wieder in die Suppenschale plumpsen und angelte mir stattdessen ein Stück Karotte.
    »Verteidigen Sie eigentlich hauptsächlich Migranten?«, fragte ich, um sie zum Reden zu bringen.
    »Warum? Weil ich selbst eine bin, meinen Sie?«
    Ihre Augen verengten sich zu einem schmalen Schlitz. Offensichtlich hatte ich das falsche Thema angeschnitten.
    »Ich wusste nicht, dass Sie Migrantin sind«, sagte ich.
    »Ich habe vielleicht einen arabischen Namen, aber ich bin in diesem Land geboren. Ich bin Juristin, und ich

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