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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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kein Zweifel.
    Alain Thery war einer der Männer, die er fotografiert hatte. Sein Gesicht kehrte Bild für Bild wieder, bis ich ihn schließlich aus allen erdenkbaren Winkeln gesehen hatte. Patrick musste besessen davon gewesen sein, ihn auf dem Foto einzufangen.
    Blieb nur die Frage, warum.
    Ich stand erneut auf und ging zum Fenster. In den Dachgauben der Sorbonne brannte Licht, die Atmosphäre hinter den Spitzengardinen der Fenster wirkte heimelig. Dort wohnte also tatsächlich jemand. Ein kleiner Junge fuhr mit einem Dreirad durch die Zimmer, er war vielleicht drei oder vier Jahre alt und sauste an einem Fenster vorbei und verschwand, um im nächsten wieder aufzutauchen. Ich überlegte, ob er der Sohn des Hausmeisters oder des Rektors war. Was wurde aus einem Menschen, der hoch oben unter dem Dach einer berühmten Universität aufwuchs? Dann fiel mir plötzlich auf, dass jemand mich auf dieselbe Weise beobachten konnte, wie ein Tier im Käfig, ein Aquarienmensch in BH und Unterhose.
    Ich trat vom Fenster zurück und setzte mich, klickte mich wieder ein wenig durch die Website von Lugus und landete auf der französischen Seite. Sie war etwas anders gestaltet, mit zusätzlichen Links und Überschriften. »Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen« hieß auf Französisch Faire d’une pierre deux coups. Ganz unten auf der Seite stand in einer winzigen Schrift contacts. Ich klickte darauf und öffnete die Adresse: 76 Avenue Kléber. Ich kippte mit dem Stuhl so weit nach hinten, dass er fast umfiel.
    Teufel auch! Nummer 76 Avenue Kléber war ein Kreuz auf der Karte. Eine von Patricks Adressen.
    Die Avenue lag nur einen Steinwurf vom Arc de Triomphe entfernt, einen Kilometer vom Restaurant, in demselben schickenViertel, wo ich einen ganzen Nachmittag im Internetcafé zugebracht hatte. Ich hatte keine Lust gehabt, in den unbequemen Schuhen umherzulaufen, und wollte mir die Recherche für den nächsten Tag aufheben. Es war mir wichtiger erschienen, mehr über den Brand herauszufinden.
    Ich klickte auf die angegebene Mailadresse und begann, eine höfliche Terminanfrage zu formulieren. Dachte einige Minuten nach und schrieb dann, dass ich ein amerikanisches Unternehmen repräsentierte, was nicht einmal gelogen war (selbst wenn meine Firma nur aus meiner Wenigkeit und einem schlecht bezahlten Assistenten ohne ordentlichen Vertrag bestand). Erst als ich den fertigen Text drei Mal durchgelesen hatte und meinen Finger hob, um auf Senden zu klicken, begriff ich, was für ein Idiot ich war.
    Alain Thery wiederum hatte seinen Umsatz garantiert nicht dadurch vervierfacht, dass er ein Idiot war.
    Er würde den Namen Cornwall in meiner Mailadresse erkennen und ihn mit dem Journalisten in Verbindung bringen, den er loswerden wollte.
    Ich raufte mir die Haare und dachte einen Augenblick nach.
    Es war die einfachste Sache der Welt, eine provisorische E-Mailadresse einzurichten, Benji machte das ständig, wenn er auf Dating-Seiten unterwegs war, er hatte siebzehn digitale Persönlichkeiten mit eigenem digitalen Liebesleben. Es war ein Wunder, dass er sie nicht durcheinanderbrachte und am Ende eine Version seiner selbst anbaggerte.
    Aus diesem Gedanken resultierte der nächste: Hatte ich eigentlich jemals meine alte Mailadresse gelöscht?
    Ich öffnete mein Mailprogramm und schickte hastig eine Testmail an [email protected].
    Als ich von der Toilette zurückkam, war die Mail bereits in meinem Posteingang und machte fröhlich pling, wie ein guter Freund, der vorbeischaute und die Isolation durchbrach. Alena Sarkanova existierte wirklich, aus dem digitalen Raum war sie nie ganz verschwunden. Seit meiner frühen Jugend hatte ich michnicht mehr Alena genannt. Ich mochte den Namen Ally, der keine Fragen nach meiner Herkunft nach sich zog. Abgesehen von der Passbehörde verwendete nur Patrick meinen richtigen Vornamen. Er fand, dass er zu schön klinge, um ihn zu verstecken, wie »Musik und Reinheit, wie etwas, das Botticelli hätte malen können«.
    Workmates war eine Adresse, die man unverfänglich verwenden konnte, sie sagte nichts aus. Wenn jemand ihr auf die Spur käme, würde er auf ein lose zusammengewürfeltes Kollektiv aus Freiberuflern stoßen, die einmal ein Büro miteinander geteilt hatten und mittlerweile nur noch den Domainnamen gemein hatten.
    Von diesem Absender schickte ich schließlich die Mail los.
    Dann ließ ich den Rechner in den Ruhezustand versinken, er hörte auf zu brummen, der Bildschirm wurde schwarz. Ich

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