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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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mir vor Augen, wie wir auf dem Sofa saßen und uns beim Essen anschwiegen, dem Fernseher zugewandt, als hätten wir genug voneinander gesehen. Mir hatte stets vor einer solchen Zeit gegraut, und jetzt wünschte ich mir mit einem Mal nichts sehnlicher, als darauf hoffen zu dürfen.
    Während Eleonora davon sprach, welches Menü sie sich für den Hochzeitstag vorstellte, es sollten ja nur die nächsten Verwandten kommen, eine schlichte Veranstaltung – also ungefähr vierzehn Verwandte plus einige Nachbarn und Roberts ehemalige Kollegen aus dem Krankenhaus –, dachte ich über die Möglichkeit nach, die Wahrheit zu erzählen. Aber das hätte Patrick nichtgewollt. Er wollte vielleicht zurückkommen und seinen Pulitzerpreis vorzeigen, aber auf keinen Fall, dass sie sich ihm aufdrängten und sich Sorgen machten. Ich sah seinen Vater vor sich, wie er in seiner Bibliothek saß und sich in seine medizinische Literatur vertiefte, rund zweitausend Bände. »Das hier«, sagte er, »ist das Wissen über Leben und Tod. Das ist es, was auf dieser Welt von Bedeutung ist.« »Im Gegensatz zu dem, was ich mache?«, fragte Patrick, und schon waren sie wieder mittendrin.
    Ich kroch aus dem Bett und eilte mit dem Handy in der Hand ins Bad.
    »Wir melden uns, sobald Patrick aus Paris zurück ist«, sagte ich und drückte das Gespräch weg, ohne auf ihre Antwort zu warten.
    Dann erbrach ich mich. Anschließend spritzte ich mir immer wieder kaltes Wasser ins Gesicht. Als ich wieder ins Bett zurückkehrte, war das Echo des Gesprächs verschwunden. Ich rückte zur Decke, die dort zusammengeknäult lag, und umarmte sie fest. Schloss die Augen und stellte mir vor, es sei Patricks Körper.
    »Du Idiot«, flüsterte ich. »Begreifst du denn nicht, dass ich auf das Geld pfeife – ich will doch nur, dass du hier bist.«
    Dann erinnerte ich mich plötzlich an weitere Szenen aus meinem Traum: Ich hatte ein Kind im Arm gehabt und es irgendwo im Haus zurückgelassen. Und nicht mehr gewusst wo.

TARIFA
    SAMSTAG, 27. SEPTEMBER
    Das Zimmer hatte ein Fenster, das mit Pappe und dickem Stoff abgedunkelt war. Der Tag quetschte sich durch einen schmalen Spalt und warf einen Sonnenstreifen quer über ihre Decke. Sie lag im Bett und hörte, wie die Kirchenglocke sieben Uhr schlug. Viertel nach sieben. Halb acht.
    Mit jedem Schlag versank alles tiefer im Wasser. Die Zeit nahm ihre Erinnerungen mit sich. Bald würde sie auch ihren Namen vergessen haben. Sie stellte sich vor, dass alles auf dem Grund des Meeres lag, vielleicht wie eine Perle, in einem Schneckenhaus oder in einem Ring an der Hand der Meeresgöttin Owu.
    Sie packte ihr steifes Bein und zerrte es zur Bettkante, setzte ihre Füße auf den glatten, kalten Boden.
    Die Frau mit den Ketten hatte sie wieder und wieder nach ihrem Namen gefragt.
    Wie heißt du?
    Woher kommst du?
    Und jedes Mal blickte sie schweigend zu Boden, als sei sie stumm.
    Sie nahm den dünnen Morgenmantel, der über einem Stuhl neben dem Bett hing, und zog ihn über. Er gehörte Jillian und duftete nach ihr. Alles in diesem Zimmer roch nach der Frau mit den vielen Ketten. In der ersten Nacht war sie im Dunkeln aufgewacht, heiß vom Fieber und mit dem Duft wie einer schweren Decke über sich, Rosen und Moschus. Dies ist der Duft des Paradieses, dies ist der Tod, hatte sie gedacht.
    Dann hatte sie gehört, wie die Kirchenglocke schlug. Draußen hatten Schritte geknarrt. Der Türgriff wurde mit einem quietschenden Geräusch nach unten gedrückt, und das Licht durchflutete den Raum, in der Tür eine Gestalt, ein flatternder Schatten. Und noch einer. Sie hatte sich dichter an die Wand gedrückt und die anderen in einer fremden Sprache sprechen gehört.
    Sie kommen, um mich zu holen, hatte sie gedacht, doch stattdessen hatte dieser Duft den Raum erfüllt, und jemand hatte sich auf die Bettkante gesetzt. Sie hatte die Augen geschlossen, und die Wellen waren über ihre Lider geschwappt, die Dunkelheit dahinter barg das Meer und die unaufhörlichen Schreie. Als sie die Augen wieder aufgeschlagen hatte, sah sie eine grüne Baumwollbluse und sieben Ketten übereinander, mit Perlen und Steinen und Silberanhängern.
    »Ich habe einen Tee für dich«, hatte die Frau gesagt, diesmal auf Englisch. Ihr Tee schmeckte bitter und süßlich zugleich, mit Milch und etwas Honig.
    Die Tasse hatte zwischen ihren Händen gezittert.
    »Ich heiße Jillian.« Eine heisere Stimme. »Ich weiß nicht, ob du dich erinnern kannst, wie du hierher gekommen bist.«

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