Toedliche Hoffnung
hervor, steckte es dann aber schnell wieder weg, zusammen mit der Zigarette. »Verdammt, ich vergesse es immer noch ständig. Wer hätte gedacht, dass es tatsächlich gelingen würde, ganz Frankreich rauchfrei zu machen.« Er fuhr sich erneut mit der Hand durchs Haar und sah sich nervös um.
»Patrick war mehrmals dort und sprach mit ihnen«, fuhr er fort. »Zum letzten Mal an jenem Nachmittag, an dem alles vollkommen ruhig schien. Sonst hätten wir sie sofort woanders hingebracht, verstehst du.«
Der Kellner stellte mir einen doppelten Toast hin, der zerlaufene Käse rann auf den Teller.
»Jemand rief Patrick in jener Nacht an und sagte, dass es brenne«, sagte ich. »Warst du das?«
»Nein, ich hatte mein Handy ausgestellt und nicht zu Hause übernachtet.«
Aha, wo denn, dachte ich, aber es ging mich wohl kaum etwas an, wo Arnaud Rachid seine Nächte verbrachte. Er fischte einen Blister mit Nikotinkaugummis aus der Tasche und stopfte sich einen davon in den Mund.
»Am Samstag nach dem Brand trafen wir uns«, fuhr er fort. »Wir sahen uns den Brandort an, und Patrick sprach mit den Polizisten. Er war davon überzeugt, dass es sich um Brandstiftung handelte.«
»Aber in der Zeitung stand, es lägen keine Hinweise darüber vor.«
»Die Polizei nahm seine Zeugenaussage auf. Danach stellten sie die Ermittlungen ein.« Er fixierte mich. »Diese Leute haben überall Kontakte.«
»Aber woher wusste Patrick, dass der Brand gelegt war? Wusste er denn auch, wer es war?«
Arnaud spielte an seinem Schal herum.
»Es gibt Dinge, über die ich nicht sprechen kann«, sagte er. »Ich muss in erster Linie an die Menschen denken, die wir schützen.«
Endlich kam ich dazu, von meinem Toast abzubeißen, wobei ich Arnaud nicht aus den Augen ließ. Der geschmolzene Käse war hart geworden. Arnaud leerte sein Bier.
»Was hat Sarah eigentlich zu dir gesagt?«, fragte er.
»Dass du ein Idealist bist«, sagte ich.
Er verzog das Gesicht. »Sarah glaubt tatsächlich, dass sie Recht spricht, und dass alle vor dem Gesetz gleich sind. Aber in dieser Stadt leben eine halbe Million Menschen ohne Papiere, die keinerlei Rechte besitzen. Das Einzige, was das Gesetz mit ihnen anstellt, ist, sie aus dem Land zu werfen.«
»Warum hast du Patrick dann zu ihr geschickt?«
Er sah sich nervös um und senkte seine Stimme.
»Diese Männer hatten Angst. Eigentlich wollte nur Salif an die Öffentlichkeit gehen und seine Geschichte erzählen. Die anderen forderten eine Garantie dafür, eine Aufenthaltsgenehmigung, einen Schutz, sonst wollten sie nicht in der Zeitung aussagen. Ich gab Patrick den Tipp mit Sarah. Sie kann nach außen hin hart wirken, aber ich weiß, dass sie sich kümmert. Und ich glaube sogar, dass sich meine Schwester ein bisschen verguckt hat.«
»In Patrick?«
Ich starrte ihn verblüfft an. Das hatte sie also mit off the record gemeint.
»Aber sie ist doch verheiratet«, sagte ich, wobei es mir gelang, beherrscht zu klingen.
Er lachte laut. »Nein, nein, das ist sie nie gewesen. Den Ehering trägt sie nur, um ihn bei Gericht vorzuzeigen, weil man ihr dann mehr Respekt entgegenbringt.«
Ich wandte den Blick ab. Sah einen Mann, der einen anderen Mann küsste, Menschen, die beisammensaßen und tranken und über das Wetter plauderten.
»Ich muss jetzt los«, sagte er und stand auf, »aber du kannst mich ja anrufen, wenn noch was ist. Wo wohnst du denn eigentlich?«
»Bei der Sorbonne«, sagte ich. »Im selben Hotel wie Patrick.«
Ich blieb sitzen und sah ihn durch die Tür verschwinden. Ein Satz von Arnaud übertönte alles andere, was er gesagt hatte: Und ich glaube sogar, dass sich meine Schwester ein bisschen verguckt hat.
»Darf es noch was sein?«
Harry schüttelte die Flasche mit der Worcestersauce und spritzte einige Tropfen davon in seinen hundertsten Bloody Mary dieses Abends.
Ich winkte mit dem Whiskyglas. »Noch so einen, bitte. Und ein Glas Wasser.«
Ich trank dasselbe, was Patrick meiner Vermutung nach getrunken hatte, an jenem Abend, als er mich zum letzten Mal angerufen hatte und betrunken gewesen war. Der Whisky schmeckte nach Asche. Es war voll im Lokal, und die Wärme verwandelte sich in einen feuchten Nebel. An den Wänden hingen Schwarz-Weiß-Fotos, Zeichnungen von klassischen Pariser Cabarets und amerikanische Sportwimpel. Alles war unglaublich pre-war. Ein Ort, der von seinen Erinnerungen lebte.
Ich schob dem Bartender eine Fotografie hinüber.
»Erkennen Sie diesen Typen wieder?«, fragte
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