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Toedliche Hoffnung

Toedliche Hoffnung

Titel: Toedliche Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tove Alsterdal
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ich.
    »Warum fragen Sie?« Er schielte nach dem Foto.
    »Weil ich ihn vermisse.«
    Harry trocknete sich die Hände ab und hielt das Foto von Patrick hoch, betrachtete sein Gesicht im Licht der Nouveau-Art-Lampen an der Wand.
    »War der nicht vor ein paar Wochen hier?« Er runzelte die Stirn. »Doch, ich glaube, ich erinnere mich tatsächlich an ihn. Er redete von seiner Frau.«
    Ich verschluckte mich und hustete so sehr, dass mir der Whisky in der Nase brannte.
    »Von seiner Frau?«
    »Er sagte, dass er eine wunderbare Frau hätte.« Harry lachte und zerstieß geviertelte Limetten und Minze in einem Glas. Er hatte eine besondere Technik, das Eis zu zerkleinern, in dem er es in eine Handfläche legte und mit dem Barstößel wie mit einem Baseballschläger darauf einhieb. »Er hatte Sehnsucht nach New York und keine Lust mehr auf solche Reisen. Sie wollten ein Kind, sagte er, er wünschte sich eine eigene Familie.« Er füllte mit Rum und Soda auf, ließ einige Eiswürfel hineingleiten und stellte das Glas auf den Tresen, wo es von einem Kellner abgeholt wurde. »Ich riet ihm, er solle sich ranhalten. Kinder sind das Beste, was einem Mann passieren kann, alles andere erscheint einem unwichtig, wenn sie erst einmal da sind. Ich selbst habe vier Kinder, die beiden Jüngsten sind Zwillinge.«
    Er trocknete sich erneut die Hände ab und schob das Foto zu mir zurück.
    »Für Sie gibt es also nichts bei ihm zu holen, Mädchen.«
    Ich sah nach unten, in Patricks Augen, und ließ mein Haar vors Gesicht fallen, sodass es einen Vorhang um uns herum bildete. An dieser Stelle musste es aufhören. Ich konnte nicht länger seinem Schatten hinterherjagen. Schon möglich, dass er in irgendwelchen Bars hockte und über mich redete, aber wenn er mich wirklich liebte, würde er wohl kaum alles für irgendeine Story riskieren? Ich wollte zurück zu meinem Leben, wollte neue, fiktive Welten bauen, die nach der letzten Vorstellung abgerissen wurden.
    »Ich weiß«, sagte ich leise zu ihm und strich mit meinem Finger an seinem Kinn entlang, »ich weiß, dass du mal wieder den schwierigsten Weg gewählt hast, und weißt du, woher ich das weiß?« Bei jedem Wort schlug ich nachdrücklich mit meiner Hand auf den Tresen. »Weil du ein verdammt schwieriger Mensch bist.«
    Ich leerte den Whisky. Als ich wieder aufsah, schaukelten die Flaschen an der Wand.
    »Nehmen wir einmal an«, sagte ich und lehnte mich vor, bis ich halb über dem Tresen hing. »Ein Mann reist nach Paris. Er hat Sehnsucht nach seinem Zuhause. Er sagt, dass er dorthin zurückfahren möchte, und damit ist New York gemeint, New York, Amerika. Sie sind verheiratet, also erklären Sie mir einmal, warum sich ein Mann so etwas einfach nur ausdenken sollte?«
    »Schwer zu sagen«, antwortete Harry und streckte sich nach der Rumflasche.
    Natürlich hieß er nicht Harry, das war lediglich ein absurder Gedanke, der mir nach dem zweiten oder dritten Whisky gekommen war: Dass Harry genauso unsterblich war wie die Bar, die er vor fast hundert Jahren eröffnet hatte – Europas erste Cocktailbar, so stand es im Klappentext eines roten Büchleins mit Rezepten, das auf dem Tresen lag und damit prahlte, dass hier der Bloody Mary erfunden worden sei.
    »Er sagte, dass er etwas Schreckliches getan hätte«, fuhr der Barkeeper, der nicht Harry hieß, fort.
    »Ich weiß, ich weiß, deshalb ist er ja auch hierhergereist, um etwas über Sklavenarbeit herauszufinden, weil er die ganze beschissene Welt retten will, aber das geht nun mal nicht.«
    Der Bartender rührte mit einem Stirrer in einem neuen Glas.
    »So unglücklich, wie der Typ aussah, dachte ich ja, er wäre seiner Frau untreu gewesen oder etwas in dieser Art. Aber wissen Sie, was er gemacht hat?«
    Ich schüttelte den Kopf, und der Raum schaukelte noch bedrohlicher. Der Bartender lächelte.
    »Er hatte sich heimlich etwas vom baby money geliehen. Daswäre so, als hätte er seinem Kind ein Stück Zukunft gestohlen, sagte er, und dass er das Geld zurückzahlen müsse und den Job klarmachen, bevor er wieder nach Hause fahren könne.«
    Ich verschluckte mich erneut und hustete, während die Worte in mir tanzten. Er hatte sich das Geld nur geliehen. Er hatte geplant, zurückzukommen. Er hatte mich nicht betrogen.
    Und dann erreichte mich der Rest der Botschaft: Deshalb war er nicht nach Hause gekommen. Er hatte mir nicht in die Augen sehen und mir sagen können, dass er das Geld unseres Kindes für eine Reportage auf den Kopf gehauen hatte,

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