Toedliche Hoffnung
Jillian war aufgestanden und zur Tür gegangen, und plötzlich war das Licht im Zimmer angegangen.
Sie war zusammengezuckt und hatte sich Tee über die Hände geschüttet. Die heiße Flüssigkeit hatte in einer Wunde auf der linken Handfläche gebrannt, dort, wo das Tau entlanggeschrammt war, während sie versucht hatte, sich am Boot festzuhalten, als man sie wegstieß.
»Hab keine Angst«, hatte die heisere Frauenstimme gesagt. »Du bist unter Freunden.« Dann war das Licht wieder ausgeschaltet worden, und sie war allein.
Die Nacht war anders als der Tag. Nachts gab es keinen Lichtstreifen im Fenster. Tagsüber hörte sie draußen Autos und Stimmen, die sie nicht verstand.
Sagt niemals euren Namen.
Gebt uns eure Papiere.
Sprecht nicht darüber, an welchen Gott ihr glaubt, wer euch hierher gebracht hat, woher ihr kommt.
Manchmal waren sie plötzlich im Zimmer. Die Schlepper, die in der Nacht wie Schlangen zischten, hurry, hurry und shut up, und sie auf dem steinigen Pfad vor sich her schubsten, als sie zum Wasser stolperten und sie zum ersten Mal hörte, wie ein Meer tosen kann. Wie es tobt und wütet und sich über die Klippen bäumt.
»Du hast Fieber«, hatte Jillian gesagt. »Wir müssen jemanden bitten, sich dein Bein anzusehen. Verstehst du, was ich sage?«
Bitte, lass es nicht die Seuche sein, dachte sie. Genauso fängt sie an.
Der erste Mann hatte sich ihr in der Wüste aufgezwungen. Lieber Gott, hatte sie gedacht, als er sie im Lager holte und sie in ein Auto zog, bewahre mich einfach nur vor der Seuche.
Inzwischen war das Bein bandagiert. Sie strich mit der Hand über den Verband. Drei Tage waren vergangen, und das Fieber war gesunken.
»Du bist in meinem Haus«, hatte Jillian an einem anderen Tag gesagt. »Meine Nachbarn dürfen nicht erfahren, dass du hier bist. Wir können ihnen nicht trauen. Deshalb darfst du nicht nach draußen gehen. Sie dürfen dich nicht durch das Fenster sehen. Sonst könnte es sein, dass die Polizei kommt. Du würdest in ein Internierungslager gebracht. Verstehst du, was ich sage? Detention camp. Ich bekomme Schwierigkeiten, wenn sie dich in meinem Haus finden. Verstehst du? Problems.«
Drei Tage lang hatte sie geschwiegen.
Geschlafen.
Immer wenn sie die Augen schloss, verschwand alles um sie herum, und das Meer war erneut über ihr. Das Fieber wütete und ließ sie zittern, das Boot wurde von den Wellen hin und her geschleudert, sie roch den Gestank von Erbrochenem im Wind.
Als sie zum ersten Mal das Gefährt gesehen hatte, das am Ufer schwappte, war sie erstarrt, denn es war nicht einmal ein richtiges Boot. Es war aus Gummi, platt wie ein Floß, mit niedrigen Kanten. Es gab keine Sitzbänke und auch kein Dach, unter dem manSchutz suchen konnte. Nur Taue zum Festhalten, die an den Kanten verliefen. Sie waren insgesamt zwölf Personen gewesen, die in dieser Nacht an Bord gingen. Einer der Schleuser schlug ihr mit einem Stock auf den Rücken. Hurry, hurry. Sie wurden weiter geprügelt, bis alle ins Boot geklettert waren und mit angezogenen Knien so eng nebeneinander gepfercht saßen, dass sich niemand mehr bewegen konnte. Drei Männer schoben und zogen das Boot ins schwarze Wasser. Der Himmel war schwarz, ohne Mond, ohne Sterne, nur einige Wolken, die tief über den Bergen hingen.
Sie saß weit hinten, mit den Knien am Rücken des Jungen, der vor ihr saß und Taye hieß. Es war verboten, den Namen der anderen zu wissen. Der Wind zerrte an den Tauen, ihre Hände waren bereits nass. Das Boot schaukelte in die Nacht hinaus. Zwei der Schleuser standen an der hinteren Reling neben dem Motor, der dritte ganz vorn. Sie trugen Westen, die sie aufgebläht aussehen ließen, fast wie Bälle. Plötzlich begannen sie an den Kleidern der Frau neben ihr zu zerren. Die Uhr, gib mir den Schmuck, dein Geld, deine Tasche.
Sie begriff nicht, was geschah. Sie hatten alle im Voraus für ihre Überfahrt gezahlt, am Abend, bevor sie abgeholt wurden, um sich näher beim Strand zu verstecken. Plötzlich schlug ihr einer der Männer mit dem Stock auf den Kopf. Sie versuchte, sich mit den Armen zu schützen. Sie hatte kein Geld mehr übrig.
Es macht nichts, dachte sie, als sie ihre Uhr abnahm. Ihre Halskette. Die Stofftasche, in der sie ein paar Sachen zum Wechseln hatte, ein Stück Seife. Wenn ich nur lebend ankomme, habe ich mein Ziel erreicht.
Einer der Passagiere konnte sich nicht beherrschen. Er stand auf und schrie die Schleuser auf Yoruba an, sie schrien in einer Sprache zurück, die
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