Tödliche Jagd
Musterbeispiel eines blutrünstigen Söldners der
Amerikaner, als Mörder von Frauen und Kindern.
Die Dorfbewohner hätten mich jedesmal am liebsten
gelyncht, doch der ernste junge Offizier, ein ergebener Schüler
von Mao und Ho Tschi Minh, ließ es nicht zu. Er erklärte
ihnen, ich müsse am Leben bleiben, um einsehen zu können,
welchen Irrtümern ich aufgesessen wäre. Ich sei ein typisches
Produkt des Kapitalismus und Imperialismus, dem man zur Erkenntnis der
Wahrheit verhelfen müsse. Das war natürlich simpelster
Behaviorismus – Psychologie, Zuckerbrot und Peitsche, damit ich
nie wußte, woran ich eigentlich war.
Etwas Ähnliches geschah nach meiner Unterhaltung
mit Chen-Kuen. Ich wurde über den Hof in eine Baracke
geführt, die Sanitätsstation, wie sich herausstellte.
Der junge Offizier ließ einen
Posten bei mir. Nach einer Weile erschien eine Ärztin, eine
kleine, spindeldürre Frau in einem blütenweißen Kittel.
Sie trug eine Nickelbrille, hatte ein Gesicht wie Leder und einen
unheimlich kleinen Mund. Ich wurde durch sie sofort an meine frühe
Kindheit und die Haushälterin meines Großvaters erinnert,
eine kleine, bärbeißige Schottin, die die Männer
haßte. Das erste Mal seit Jahren kam mir der Geschmack von
Rhizinusöl wieder in Erinnerung, und mir lief ein Schauder
über den Rücken.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und kramte
herum. Plötzlich ging die Tür wieder auf, und eine zweite
Frau kam herein. Das ganze Gegenteil der Ärztin. Sie gehörte
zu den Evastöchtern, die soviel Sinnlichkeit ausstrahlten,
daß sie nicht einmal durch eine Uniform und kniehohe Lederstiefel
überdeckt werden kann.
Sie hatte ihr pechschwarzes, in der Mitte
gescheiteltes Haar hinten zu einem Knoten gebunden, wie man es bei
Frauen in Osteuropa häufig sieht; das war nicht weiter
verwunderlich, denn ihre Mutter stammte, wie ich später erfuhr,
aus Rußland.
Ihr Gesicht erinnerte an eines der Götterbilder
in den Tempeln überall in Asien: das der Mutter Erde, die alle
Männer vernichtet, große, halb geschlossene Augen, voller,
sinnlicher Mund. Man konnte sich von ihr ein Leben lang die
schönsten aller Freuden erhoffen, um dann schließlich von
ihr bitter enttäuscht zu werden.
Sie hatte nur einen leichten Akzent und eine
unbeschreiblich wohlklingende Stimme. »Ich bin Madame Ny. Ihre
Lehrerin.«
»Ich weiß zwar nicht, was das zu bedeuten
hat, aber es hört sich nicht schlecht an«, erwiderte ich.
Die Ärztin sprach sie auf chinesisch an. Madame
Ny nickte. »Ziehen Sie sich bitte aus, Mr. Jackson. Die
Ärztin möchte Sie untersuchen.«
Ich war so müde, daß mir das Ausziehen
ziemliche Mühe machte, doch schließlich stand ich nur noch
in Unterhosen da. Die Ärztin sah von dem Krankenblatt hoch, das
sie gerade studierte, und legte verärgert die Stirn in Falten.
»Bitte alles, Mr. Jackson«, forderte Madame Ny mich auf.
»Aber sogar beim Marinekorps darf man sie anbehalten«, protestierte ich nicht ganz ernsthaft.
»Sie schämen sich doch nicht etwa? Noch
dazu bei einer ärztlichen Untersuchung?« fragte sie
sichtlich erstaunt. »Der menschliche Körper ist nichts
Obszönes. Sie offenbaren da eine höchst ungesunde
Einstellung.«
»Ich kann eben nichts dafür. Kalt duschen hat bei mir nie richtig gewirkt.«
Sie sagte etwas zu der Ärztin und vertiefte sich mit ihr in ein Krankenblatt, vermutlich meines.
Ich war ein braver Junge, ließ die Hosen
herunter und wartete. Ich stand bestimmt zwanzig Minuten, wenn nicht
länger, so da, und in dieser Zeit kamen mehrere Personen,
Männlein wie Weiblein, mit irgendwelchen Akten und Unterlagen
herein und gingen wieder hinaus. Ein Paradebeispiel für
absichtliche Demütigung.
Nachdem man wohl zu dem Ergebnis gekommen war, ich sei
ausreichend bestraft worden, stand die Ärztin plötzlich auf
und machte sich an die Arbeit. Sie untersuchte mich, wie ich zugeben
muß, sehr gründlich und fachkundig, zapfte mir sogar Blut ab
und verlangte eine Urinprobe.
Zuletzt zog sie einen Stuhl heran, setzte sich und
inspizierte meine Genitalien. Dieser Untersuchung auf ansteckende
Krankheiten müssen sich die Soldaten in aller Welt in
regelmäßigen Abständen unterziehen, aber das machte die
Sache nicht angenehmer. Besonders störte mich, daß Madame Ny
hinter ihr stand und jede ihrer Bewegungen aufmerksam verfolgte.
Ich zuckte zusammen, weil die alte Kuh ziemlich grob
zu Werke ging, worauf Madame Ny
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