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Tödliche Jagd

Tödliche Jagd

Titel: Tödliche Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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du schon mal das Daw-Der-Jung des
Alten Meisters Lao Tsu gelesen?« Er gab selbst die Antwort
darauf, »Nein, sehr wahrscheinlich nicht. Es heißt darin
unter anderem, wer größer werden will, muß erst ganz
klein werden. Wer erhöht werden will, muß sich erst
erniedrigen, wer nehmen will, muß erst geben. Sanftmut
überwindet Härte, und Schwäche überwindet
Stärke.« »Aber was ist der praktische Nährwert
dabei?«
      »Du mußt dich völlig entspannen können, genau wie eine Katze. Nur so kannst du die ch'i entwickeln, eine Art innere Energie. Wenn sie sich im tan t'ien ansammelt,
einem Punkt etwas unterhalb des Nabels, ist es eine elementare Kraft,
die stärker ist als jede physische. Es gibt verschiedene
Atemübungen, die dabei helfen, daß man sie bekommt. Eine Art
Selbsthypnose.«
      Er erklärte mir eine davon ausführlich, aber
mir kam das alles so lächerlich vor, daß sich mir das erste
Mal der Gedanke aufdrängte, die Gefangenschaft habe sich bei ihm
aufs Gemüt geschlagen.
      Er muß es mir angesehen haben, denn er lachte
plötzlich. »Du glaubst, ich bin übergeschnappt? Noch
nicht, mein Junge, noch lange nicht. Wenn du mir zuhörst, hast du
vielleicht eine winzige Chance, hier heil herauszukommen. An deiner
Stelle würde ich mich aber jetzt hinlegen und ein bißchen
schlafen. Jetzt hast du noch Gelegenheit dazu.«
      Er beendete seinen Monolog und gab mir ein Buch, eine
Taschenausgabe der Mao-Bibel. Ich war aber bereits jenseits von Gut und
Böse. Sogar die wenigen Schritte zu meiner Liege fielen mir
schwer.
      Aber die Strohmatratze schien weicher als ein
Daunenbett, und das Gefühl, die schmerzenden Glieder ausruhen zu
können, bereitete mir ein beinahe masochistisches Vergnügen.
Ich schloß die Augen, dämmerte in den Schlaf, und die ganze
Spannung fiel von mir ab. Doch dann klingelte plötzlich irgendwo
in meinem Kopf eine Alarmglocke, machte einen fürchterlichen,
angsterregenden Lärm, der wie eine Reihe von Elektroschocks
wirkte.
    Ich bekam die Warnung, die St. Claire mir
zurief, gerade noch mit, als die Tür aufgestoßen wurde und
der junge Offizier, der mich hierhergebracht hatte, mit einem Dutzend
Soldaten hereinstürzte, drei von ihnen mit aufgepflanztem Bajonett
auf ihren AKs. Sie drängten St. Claire, der wie ein verwundeter
Tiger brüllte, an die Wand. Die anderen hatten nur Knüppel.
      »Denk dran, was ich dir gesagt hab', mein
Junge!« rief er mir noch zu, und dann wurde ich mit einem
Fußtritt des jungen Offiziers hinauskomplimentiert.
      Sie schlugen mich und traten mich auf dem ganzen Weg
den Gang entlang und vier Treppen hinunter, bis ich schließlich
wie ein verängstigtes Tier in einer Ecke kauerte, die Arme vor den
Kopf hielt, um ihn wenigstens etwas vor den Knüppelhieben zu
schützen.
      Ich wurde schließlich halb bewußtlos
wieder irgendwie auf meine Füße gestellt und dann
ausgezogen. Ich hörte Stimmengewirr, und dann fiel eine
Eisentür scheppernd ins Schloß, und ich war allein.

    Jedem ist es wohl schon einmal so ergangen: Man wacht mitten in
der Nacht auf, alles ist stockdunkel, man fühlt sich seltsam
unruhig und unwohl, als würde irgendwo im Zimmer eine unbekannte
Gefahr lauern, und schlüpft schaudernd wieder unter die warme
Decke.
      Nur hatte ich keine warme Decke, unter die ich
schlüpfen konnte, und die Nacht würde, so sah es für
mich aus, wohl ewig dauern. Drei Wochen war St. Claire hier eingesperrt
gewesen und hatte es überstanden. Drei Wochen. Eine Ewigkeit.
      Ich machte zögernd einen Schritt nach vorn und
stieß gegen eine Mauer. Mit ausgestreckten Händen ging ich
zwei Schritte zurück und ertastete die andere Seite. Nach drei
vorsichtigen Schritten erreichte ich die Rückwand, und von da
waren es vier bis zur Eisentür.
    Eine steinerne Gebärmutter. Und
kalt. Unheimlich kalt. Eine Klappe unten an der Tür wurde
geöffnet, gelbes Licht flutete herein. Irgendwer schob eine Art
Pfanne herein, und dann war die Klappe wieder zu.
      In der Pfanne war Wasser, frisches, kaltes Wasser. Ich
trank einen Schluck, setzte mich an der Tür nieder und wartete.
      Ich muß dann geschlafen haben,
möglicherweise sogar ziemlich lange in Anbetracht dessen, was ich
alles durchgemacht hatte, denn ich wachte langsam auf und war umfangen
von der gleichen Dunkelheit wie zuvor.
      Ich verspürte ein dringendes menschliches
Rühren, trommelte deswegen gegen die Tür, was aber nichts
bewirkte, und sah mich schließlich gezwungen, eine Ecke

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