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Tödliche Jagd

Tödliche Jagd

Titel: Tödliche Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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befürchtete, daß sie mich nun
erschießen würden, aber vermutlich hatte der junge Offizier
sofort meinen Wert als Propagandamaterial erkannt.
      Sie ließen mich am Leben – gerade so. Nach
vierzehn Tagen übergaben sie mich an eine Gruppe, die nach Norden
in die Etappe marschierte.
      So kam ich schließlich nach Tay Son, dem
endgültigen Landeplatz nach meinem Sprung von der
Eisenbahnüberführung eineinhalb Jahre zuvor.

    Ich sah es zum ersten Mal spätabends im Regen, als wir aus
einem Tal herauskamen – eine mächtige, ockerfarben
gestrichene Mauer auf dem Bergkamm über uns.
      Ich hatte bereits genug Buddhistenklöster
gesehen, um es als solches zu erkennen, doch dieses hatte seine
Besonderheiten. Zu beiden Seiten des Haupttores stand ein Wachtturm auf
Stelzen, mit einem Posten bemannt und mit einem schweren MG
bestückt. Im Innenhof standen mehrere Baracken.
    Nachdem ich drei Tage lang an einem Seil
hinter einer Kolonne von Packmulis hergestolpert war, hatte ich nur den
einen Wunsch, mich in eine stille Ecke verkriechen zu können und
zu verrecken. Ich wollte mich hinsetzen, aber durch Fußtritte
wurde mir bedeutet, stehen zu bleiben. Die Mulis wurden
weggeführt; ein Bewacher blieb bei mir. Ich stand todmüde im
strömenden Regen, in jenem seltsamen Zwielicht, das im Hochland
kurz vor Einbruch der Dunkelheit herrscht.
      Und dann geschah etwas Ungewöhnliches. Ein Mann,
dessen Tod die Weltpresse gemeldet hatte, kam mit drei bewaffneten
Wächtern im Schlepptau hinter einer Baracke hervor, ein schwarzer
Riese in grünem Arbeitsanzug und Springerstiefeln, Chaka, der
König der Zulus, wie er leibt und lebt.
      Brigade-General James Maxwell St. Claire, das As der
Luftlandetruppen, eine der schillerndsten Soldatenfiguren seit dem
Zweiten Weltkrieg, schon zu Lebzeiten eine Legende – Black Max.
      Sein Verschwinden drei Monate zuvor hatte einen
Skandal ausgelöst, dessen Auswirkungen bis ins Weiße Haus
reichten, denn seit dem Koreakrieg hatte man peinlich genau darauf
geachtet, ihn, den Träger der Medal of Honor, aus der
Schußlinie herauszuhalten. Er war überhaupt nur durch seine
Zugehörigkeit zu einer Untersuchungskommission, die direkt dem
Präsidenten unterstand, nach Vietnam gekommen.
      In den Berichten hatte es geheißen, St. Claire
habe eine vorgeschobene Hubschrauberbasis besucht, als Alarm gegeben
wurde. In einem Kampfhubschrauber habe ein Mann zur Bedienung der
Bordgeschütze vom Typ M60 gefehlt, und St. Claire hatte sich nicht
davon abbringen lassen, mitzufliegen. Die Mühle war dann im
Gefecht abgeschossen worden.
      Er änderte die Richtung und überquerte den
Innenhof so schnell, daß seine Bewacher Mühe hatten, ihm zu
folgen. Der für mich abgestellte Posten richtete sein AK auf St.
Claire, doch dieser drückte es mit dem Handrücken einfach
beiseite.
      Ich nahm Haltung an. »Rühren«, sagte er. »Sie kennen mich?«
    »Sie haben vor drei Monaten in Din To meine Ausrüstung kontrolliert, Herr General.«
      Er nickte bedächtig. »Erinnere mich auch an
Sie. Colonel Dooley hat mich auf Sie aufmerksam gemacht. Sie sind
Engländer. Wir haben doch noch kaum miteinander gesprochen.«
    »Jawohl, Herr General.«
      Er fing urplötzlich an zu lächeln, das erste
Mal, daß ich dieses berühmte St.-Claire-Lächeln sah,
und legte mir die Hand auf die Schulter. »Du siehst ziemlich
groggy aus, mein Junge. Mal sehen, was ich für dich tun kann, aber
viel werd' ich wohl nicht erreichen. Das hier ist kein
gewöhnliches Gefangenenlager. Die Chinesen haben hier das Sagen.
Lager Nr. 1. Der Kommandant ist Oberst Chen-Kuen, ein sehr netter
Mensch. Hat unter anderem seinen Doktor in Psychologie an der Londoner
Uni gemacht. Er ist nur aus einem einzigen Grund hier. Um dich
auseinanderzunehmen.«
      Ein wütender Schrei ertönte, und ein junger
Offizier kam aus einer Baracke. Er zog seine Pistole und richtete sie
auf St. Claires Kopf.
      St. Claire nahm keine Notiz von ihm. »Laß
dir deinen Stolz nicht abknöpfen, mein Junge. Du wirst merken,
daß es das einzige ist, was du hast.«
      Er stürmte so schnell davon, daß seine
Begleiter ihm nachrennen mußten; der junge Offizier fluchte
gottserbärmlich.
      Ich fühlte mich plötzlich sehr einsam, als
ich wieder allein war, doch ich war nicht mehr müde –
zumindest dafür hatte St. Claire gesorgt.
      Sie ließen mich noch eine Stunde so dastehen,
lange genug, daß mir die Kälte in die Knochen kroch. Dann
ging eine Tür auf, ein

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