Tödliche Legenden Sammelband 1 (German Edition)
vor.
„Ich kann nicht tauschen. Ich bin der Ursprung. Wegen mir sind alle hier. Auch meine Mama. Wir sind hier gebunden, 17 Geister. Mama, ich und 15 andere. Früher waren es viele Kinder, aber die meisten Kinder haben getauscht. Mamas Ritual hat uns hier gebunden … Mama und ich können leider nicht gehen. Und die anderen können nur tauschen. Außer, jemand findet heraus, wie man das Ritual außer Kraft setzt. Aber außer tauschen und den Keller abbrennen konnte noch keiner etwas tun. Hier sind wir trotzdem noch alle.“
„Was ist damals mit dir passiert? Keiner hat dich hier jemals …“, fing Leyla an, aber wieder wurde sie davon unterbrochen, dass die schwarze Kuttengestalt von Freya ihr den Gesprächspartner entriss. Leylas Neugier war inzwischen einer starken Beklemmung gewichen. Die kleine Miranda musste an einer Krankheit gestorben sein, wenn ihr Geist ihrem realen Aussehen entsprach. Dafür sprachen auch das im Keller versteckte Kinderzimmer und die vielen gebundenen Geister in diesem Gemäuer. Gebunden seit mehreren 100 Jahren. Leyla schauderte. Das musste ein grausiges Leben nach dem Tod sein. Langsam gesellte sich ein schlechtes Gewissen zu Leylas Beklemmung. Wollte sie wirklich aus dem Leiden der Verstorbenen einen Horrorroman machen?
Sie wollte gerade gehen, da fiel ihr Blick auf ein kleines Kästchen, das im zerstörten Schrank stand. Während sie sich herunterbeugte, um es aufzuheben, fiel ihr der Rucksack von der Schulter. Da sie ihn nach dem Entnehmen der Taschenlampe nicht wieder geschlossen hatte, fielen ihre Sachen heraus. Als der Stoffhase auf dem Boden aufkam, klimperte es. Irritiert hob sie ihn auf, und ein kleiner Schlüssel fiel zu Boden. Er war nur etwa 3 cm groß und mit einem herzförmigen Bogen auf der Oberseite verziert.
„Komischer Zufall“, nuschelte sie und wandte sich wieder dem Kästchen zu. Es war ein angerostetes Metallkästchen, das mit einem kleinen Schloss versehen war.
„Sollte etwa …?“, fragte sie sich selbst und schob den Schlüssel hinein. Mit einem leisen Klicken sprang das Schloss auf. Leyla klappte das Kästchen auf. Darin lag, neben einigen Zeichnungen von Miranda und ihrer Mutter, ein weiterer Schlüssel. Dieser war aber deutlich größer und schwerer. Sie steckte ihn in ihre Hosentasche. Dann legte sie neugierig die Bilder beiseite, und ein zusammengefaltetes Blatt kam zum Vorschein. Vorsichtig entfaltete sie es. Es war ein mit zittriger Hand und Feder und Tinte geschriebener Brief. Nur mühsam konnte Leyla ihn entziffern. Als sie es geschafft hatte, lief ihr eine Träne übers Gesicht. Was sie in den Händen hielt, war der Abschiedsbrief von Miranda an ihre Mutter. Darin schrieb sie unter anderen, dass ihre Mutter nicht traurig sein musste, weil sie immer bei ihr bleiben würde. Und dass es sie ein bisschen traurig machte, dass die anderen Kinder jetzt nicht mehr zum Spielen da wären. Sie würden sich bestimmt ohne sie langweilen, wo sie doch nicht mehr nach Hause könnten.
„Freya, was hast du getan …“, flüsterte Leyla vor sich hin. Wenn sie das alles hier doch aufschreiben sollte, wäre es wohl eher ein Drama. Aber vielleicht könnte sie für ein Happy End sorgen? Dafür müsste sie nur herausfinden, wie man das Ritual rückgängig machen konnte. Der Schlüssel, den sie gefunden hatte, würde ihr bestimmt dabei helfen. Jemand musste den Hasen samt dem ersten Schlüssel und diesen Schlüssel hier versteckt haben, bevor er sich auf dem Burggelände umgebracht hatte. Sollte sie nicht weiterkommen, konnte sie immer noch aufs Festland zurück und nach einem anderen Weg suchen. Also stopfte sie schnell ihre Sachen zurück in den Rucksack und irrte eine Weile ziellos durch die verzweigten Gänge des Kellergewölbes. Hier und da stieß sie auf leere Zimmer mit verfallenen oder verbrannten Möbelresten, in einigen der Zimmer fand sie Knochenstaub und wieder einem anderen fand sie ein Skelett, an dem die Knorpel noch halbwegs intakt waren. Es war also ein relativ frisches. Am Hals des Skeletts hing eine Kette mit einem kleinen Silberherz. Leyla schauderte. Dann endlich, gefühlt musste es Stunden später gewesen sein, stieß sie mit dem Fuß gegen eine kleine Erhöhung im Boden. Sie zog die Teppichreste zur Seite und eine Falltür kam zum Vorschein. Es gab Räume unter dem Keller? Das hatte nicht auf den Plänen gestanden, die sie von der Burg hatte auftreiben können. Auch hier flammten die Fackeln auf, kaum dass sie die erste Treppenstufe
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