Tödliche Legenden Sammelband 1 (German Edition)
einem leichten Ziehen in der Magengegend.
„Ist die Welt denn jetzt sehr viel anders als vor etwa … 500 Jahren? Seitdem bin ich nämlich hier“, fragte Malcom neugierig.
Leyla nickte.
„Sehr viel anders.“
„Also na dann bleib ich doch lieber hier. Wenn die Welt so anders ist, dass man verrückt wird, dann leg ich mich wieder schlafen“, sagte er enttäuscht und ging durch die geschlossene Tür hindurch ins Zimmer. „Warte!“, rief Leyla ihm nach und rüttelte an der Tür. Doch weder rührte sich die Tür auch nur einen Millimeter, noch tauchte Malcom wieder auf. Auch nicht, nachdem sie mehrmals nach ihm gerufen hatte. Also ging sie nachdenklich weiter. Dann meinte die Blonde also, jemand solle mit Amanda den Platz tauschen. Denn die kleine Gestalt auf dem Kronleuchter hatte eindeutig Amandas rotes Kleid angehabt, soviel hatte Leyla erkennen können. Warum sie nicht mit ihrer Tochter getauscht hatte, verstand sie allerdings nicht. Da kam Leyla eine Idee.
„Amanda!“, rief sie in die Stille hinein. Das Mädchen in dem roten Kleid tauchte tatsächlich auf, aus dem Nichts, direkt vor ihr. Stolpernd hielt Leyla an.
„Ja schöne Lady?“, fragte sie kichernd, dann begann sie, auf einem Bein im Kreis zu hüpfen. Unsicher versuchte sie dabei, mit ihren Armen das Gleichgewicht zu halten.
„Möchtest du abgelöst werden?“, fragte Leyla.
„Nö, warum denn? Ich spiele gerne mit Miranda“, antwortete sie, ohne ihr Spiel zu unterbrechen.
„Aber deine Mutter …“ Amanda blieb stehen und verdrehte die Augen.
„Ich wollte dich nur ein bisschen erschrecken. Ich bin gerne hier. Freya ist ein bisschen komisch, aber Miranda ist lieb. Und sie versteckt sich immer so gut! Draußen auf dem Hof hatte ich sie fast!“, ärgerte sie sich.
„Wie kann man denn mit euch tauschen, wenn jemand möchte?“ Leyla war Feuer und Flamme. Ja, das würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihr nächster Bestseller werden, bei alledem, was sie hier erfuhr. Amanda wollte gerade antworten, da tauchte der schwarze Schatten zwischen ihr und Leyla auf. Er schwebte ein Stück über dem Boden und war komplett in eine schwarze Kutte gehüllt, deren Kapuze er sich übers Gesicht gezogen hatte.
„Verschwinde hier. Lass meine Kinder in Ruhe“, sagte der Schatten mit einer bedrohlichen, tiefen Stimme.
„Lady Berrywood, sagt mir doch, was hier vor sich geht. Vielleicht kann ich Euch helfen!“, entgegnete Leyla geistesgegenwärtig. Erst regte sich die schwarze Kutte nicht, doch dann fuhr sie wortlos herum, griff sich Amanda und verschwand durch die Wand. Leyla fluchte kurz auf. Mit grimmiger Mine ging sie weiter den Gang herunter, bis sie ein Zimmer mit herausgebrochener Tür erreicht hatte. Zerbrochene Möbel standen darin; ein Bett, ein Stuhl und ein Schrank. Aber die Möbel hier waren erstaunlich gut erhalten. Vorsichtig trat Leyla an das in sich zusammengesackte Bett heran. Der Größe nach zu urteilen musste es ein Kinderbett gewesen sein, von einem Kind im Alter von höchstens 6 Jahren. Der Lattenrost war gebrochen, Leyla ging in die Knie und schaute sich die Überreste genau an. Lag da nicht etwas Helles zwischen den gebrochenen Querstreben? Sie zog wieder ihre Taschenlampe heraus und leuchtete den Bereich ab. Eindeutig, dort lag Staub, der heller war als der restliche. Leyla schluckte.
„Was machst du in meinem Zimmer?“, fragte eine glockenhelle Stimme hinter ihr. Langsam drehte Leyla ihren Kopf zur Tür, dann erschrak sie. Dort stand wieder ein kleines Mädchen. Aber sie sah anders aus als die anderen. Ihre Haut war schneeweiß, genau wie das bodenlange, mit Rüschen verzierte Kleidchen, was sie trug. Dafür waren ihre dunkel unterlaufenen Augen knallrot. Spärliche, weiße Locken fielen ihr auf die Schultern. Die Lippen des Mädchens waren kaum zu erkennen, sie waren fast so weiß wie der Rest. Langsam schwebte das Mädchen an Leyla vorbei und ließ sich auf dem kaputten Stuhl nieder.
„Was machst du in meinem Zimmer?“, wiederholte es dann seine Frage.
Leyla stand auf und wandte sich ihr zu.
„Bist du Miranda?“
„Ich habe zuerst gefragt. Was machst du hier? Willst du mir einen Spielkameraden klauen? Oder wolltest du dir nur die Reste meiner Knochen ansehen und dann wieder gehen?“, entgegnete sie mit monotoner Stimme.
„Ich wollte mit jemandem tauschen. Aber Amanda und Malcom möchten nicht tauschen. Möchtest du das vielleicht? Mein Name ist Leyla“, stellte sie sich höflich
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